Du denkst, du weißt, wer ich bin
ihm ähnlich sah. Aber dann war er wieder weg. Lachlan war seit diesem einen, ersten Mal nie wieder mit uns ausgegangen, und ich wusste, dass Miranda Dallas klargemacht hatte, dass sein Bruder nicht willkommen war.
Eines Nachts saß ich bei einer Party allein auf einer durchgesessenen Couch. Der Drang zu schlafen war überwältigend – und obwohl ich wusste, dass ich Riesenärger bekommen würde, wenn Miranda mich dabei ertappte, nickte ich einfach ein. Ich schlief fast schon, als ich die Couch noch tiefer einsinken fühlte. Jemand hatte sich neben mich gesetzt. Das passierte manchmal – ein Fremder hatte Mitleid mit mir, weil ich so allein dasaß oder versuchte sogar, mich anzumachen. Aber dieses Mal suggerierten mir meine schläfrigen Augen, dass Lachlan da neben mir säße.
»He, Olive.«
Ich setzte mich auf, meine Müdigkeit verflog augenblicklich. Es war Lachlan – er lächelte, sah aber auch ein wenig angespannt aus.
»Was tust du hier?«, fragte ich.
»Ich bin euch gefolgt«, gab Lachlan zu. »In einem Taxi. Ich habe das übrigens schon ein paar Mal gemacht. Du weißt schon – seit ihr drei angefangen habt, die ganze Zeit auszugehen.« Er rieb sich das Kinn. »Das klingt ziemlich creepy, oder?«
»Es hängt davon ab«, sagte ich, » warum du das tust.« Mein Herz hüpfte wie irre auf und ab, aber ich schaffte es, meine Stimme ruhig zu halten.
Lachlan beugte sich nach vorn. »Ich mache mir Sorgen um Dallas«, erklärte er. »Richtige Sorgen.«
»Oh«, sagte ich. Wage es bloß nicht, enttäuscht zu sein, Olive. »Warum?«
»Er ist total durcheinander. Nachts treibt er es bunt, dafür bleibt er den ganzen Tag im Bett. Er isst nichts. Ich weiß nicht einmal, was aus Luxe wird.« Lachlan schüttelte den Kopf. »Er bildet sich ein, er arbeitet an irgendwelchen Songs, aber das glaube ich nicht.«
Das hatte ich nicht gewusst.
Jemand stellte dann die Musik lauter, und noch mehr Leute versammelten sich vor der Couch. Lachlan rückte ein paar Zentimeter näher an mich heran. »Dallas behauptet, er liebt Miranda. Und er glaubt, dass sie ihn auch liebt. Glaubst du , dass das stimmt?«
Das schien wie eine hirnrissige Frage – natürlich liebte Miranda Dallas. Aber dann merkte ich, wie ich darüber nachdachte, in welcher Art und Weise sie von ihm sprach. Was für ein toller Fang er war. Was für ein Glück sie hatte, und wie viele Mädchen gern mit ihr getauscht hätten. Und wie, wann immer Miranda die Arme um Dallas schlang und ihn mit Küssen erstickte, sie auch ein Auge auf mich hatte, um meine Reaktion mitzubekommen.
»Manchmal …« Ich zögerte. Ich fühlte mich dämlich. Arrogant. Aber jetzt kam ich nicht mehr raus aus der Nummer, also schloss ich die Augen und spuckte es aus. »Manchmal ist es so, als würde sie nur so tun, als ob sie in ihn verliebt wäre, um mich eifersüchtig zu machen.«
Lachlan lachte nicht. Er sah mich auch nicht an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Stattdessen nickte er grimmig. »Genau.« Jetzt sah er wütend aus – so wütend, wie ich ihn überhaupt noch nie gesehen hatte –, nach vorn gebeugt, die Fäuste geballt. Als er mich wieder anguckte, war er ruhig, aber ich konnte merken, dass die Wut noch dicht unter der Oberfläche brodelte. »Ich habe mir vorgenommen, mich aus deinem Leben rauszuhalten, Olive«, sagte er. »Ich weiß, dass du genügend eigene Sorgen hast, und ich habe versucht, dich in Ruhe zu lassen. Aber ich kann nicht aufhören, auf dich aufzupassen, obwohl ich mich bemüht habe.« Er lachte halbherzig. »Ich habe es wirklich, wirklich probiert.«
Es tat mir weh, das zu hören. Und es verwirrte mich auch. »Warum passt du auf mich auf?«
Lachlan sah mich seltsam an. Als ob der Grund auf der Hand läge. »Olive. Hast du nicht bemerkt, was mit dir geschieht?«
»Was meinst du damit?«, wollte ich wissen, echt verblüfft. »Ich bin ein bisschen müde, aber sonst ist alles in Ordnung.« Ich hatte doch meinen Spaß, oder? Dazu gehörte nun mal, dass man müde war.
Lachlan blieb einen Moment still. Dann stand er auf. »Komm mit«, bat er. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Er schob sich an den betrunkenen Tänzern vorbei und führte mich zur Damentoilette. Er schaltete das Licht an – nüchtern und grell. Dort, an der gegenüberliegenden Wand, gab es einen Spiegel. Darin spiegelte sich jemand, den ich nicht erkannte. Jemand, der dünn und blass war, mit strähnigem Haar, eingesunkenen Wangen und dunklen Rändern unter den Augen. Mein Spiegelbild
Weitere Kostenlose Bücher