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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Deinen Brief, der mir eine schlaflose Nacht gebracht hat. Erwägt man, was Du jetzt und für die Zukunft dort aufgiebst, und ferner, daß, wenn Du jemals daran denkst, zurückzukommen, jetzt der Augenblick da ist und später schwerlich wiederkommen wird, so kann ich nach sorgfältiger Überlegung zu keinem anderen Ergebnisse kommen, als zu dem: es scheint mir, Du mußt annehmen. Dies ist meine Überzeugung. Wenn Du dieser beipflichtest, so ist es unbedingt notwendig, daß Du gleich kommst .
    Johann Casimir, der in seinen Briefen vom 11. Januar und 9./10. Februar seinem Sohn zur Zurückhaltung und zum Abwarten rät, muss seine Überzeugung hier mit dem Wissen von Storms Abschiedsschreiben und Hentrichs Verhalten in der Beurlaubungsangelegenheit geschrieben haben. Mit Vaters Zuspruch wagt Storm dann den Schritt: Er entfernt sich aus seinem Amt und aus Heiligenstadt ohne genehmigten Urlaub. Wären Storms Vorgesetzte darauf aus gewesen, dann hätten sie ihn disziplinar belangen können. Hentrich aber erweist sich auch als Mann der Fürsorge und trägt in seiner Aktennotiz Entschuldigungsgründe vor: …kann der Grund für seine plötzliche Entfernung nur darin liegen, daß er in seiner Heimath sich schnell eine Anstellung verschaffen will, was mit Rücksicht auf die obwaltenden Verhältnisse in Schleswig, die Sorge für den Unterhalt der Familie und der gewissen Aussicht auf die ohne Vorbehalt gewünschte Entlassung einige Entschuldigung verdienen dürfte.
    Am 10. März tritt Storm noch einmal mit seinem Chor auf, Abschiedskonzert, sein Herz ist in der Tat ganz zerrissen , schreibt er am 11. März in seinem letzten Brief aus Heiligenstadt nach Husum. Und als ich den vollen prächtigen Chor von über fünfzig Sängern, den ich gestiftet, dirigierte, als so aller Blicke an meinem Stäbchen hingen und die Tonwellen nun zum letzten Mal aus begeisterter Menschenbrust brausend hervorströmten, da mußte ich mein Herz in beide Hände fassen, um nicht in Tränen auszubrechen. Auch ich sang noch und sang aus meinem bewegten Herzen und mit mächtiger Stimme die schöne Arie: »Du wirst ja dran gedenken, denn meine Seele sagt es mir.« Es war eine lautlose Stille. So, nachdem eben der volle Chor ausgebraust, zu singen und so gehört zu werden ist eins der glückseligsten Momente des Menschenlebens – Es war für mich zum letzten Mal.
    Am 11. März abends steht für Storm noch eine große Feierlichkeit auf dem Programm. Am 12. März verlässt er mit dem fünfzehnjährigen Hans Heiligenstadt. Aus offenen Fenstern winkt man den beiden zu. Ich gestehe, daß ich fassungslos war, als ich das Nest verließ , schreibt er Constanze.
    Bis Göttingen sitzen Storm und Sohn auf einem Pferdefuhrwerk, dann steigen sie ein in die dritte Klasse Eisenbahn, das ist mehr, als ein grobcivilisierter Mensch aushalten kann; alle Fenster dicht zu und nun der beizendste Tabaksdampf, so daß ich fortwährend in einem Erstickungskrampf saß, von dem ich mich noch nicht erholt habe, dabei konnte ich bei meiner Magerkeit gar nicht auf den harten Brettern sitzen . Wie mag es wohl Hans ergangen sein? Davon erzählt der Vater nichts. Auch in Altona herrscht Krieg. Storm sieht wohl 200 gefangene Dänen , die vorbeimarschieren. Und er trifft alte Bekannte, ein ungleiches Paar: die inzwischen achtunddreißigjährige Bertha von Buchan mit der zweiundachtzigjährigen Therese Rowohl.
    Am 15. März treffen Storm und Hans in Husum ein. Sie bleiben vorerst
bei den Eltern in der Hohlen Gasse. Storm geht auf Wohnungssuche und besichtigt Häuser, er will mit den Seinen zur Miete wohnen. Er freut sich schon auf den Garten, in dem die Kinder spielen und die Erwachsenen Tee trinken werden. Constanze hält in Heiligenstadt die Stellung mit dem Rest der Familie, bereitet den Umzug und eine Auktion vor: Waschtisch, Küchentisch, Kinderstubentisch, Stühle und Sofa, Kochgeschirr, Kleiderschrank und Bettgestell sollen unter den Hammer kommen und ein paar Taler bringen.
    Die Wussow-Familie erweist sich wieder einmal als fürsorgliche Gastgeberin. In fröhlicher Runde, bei einer Unmasse von Bowle und Champagner , behauptet eine der anwesenden Frauen, Constanzes Theodor sei der beste Ehemann, worin alle Frauen enthusiastisch einstimmten (Du kannst Dir mein stolzes Gesicht vorstellen). Das sind gleich zwei Streicheleinheiten, eine für Theodor und eine für Constanze. Storm ist das, was heute verächtlich bis neidisch »Frauenversteher« genannt wird; er kann zuhören und ist

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