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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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einfühlsam, er ist warmherzig und hilfsbereit.
    Wussow hat diese »weiblichen« Eigenschaften wohl mit dem »Demokraten« Storm verbunden. Für ihn, der sich anhören muss, was auch seine Ehefrau Anna von Storm denkt, ist das zu viel, das stimmte Alex[ander] so melancholisch, daß seine Frau das so unumwunden sagte, daß er beinahe weinte und nun macht er, da er Dich nicht mehr hat, mich zu seine[r] Vertrauten. Er bleibt der treue Freund, mit seiner Hilfe erhält Constanze Theodors Entlassungspapier vom Kreisgericht, es ist datiert auf den 14. März 1864.
    Storm geht in Husum zukunftsfroh in den neuen Lebensabschnitt, am 17. März tritt er sein Amt als Landvogt an: Ich finde die Sache höchst amüsant und mein Puls geht nicht um ein Haar schneller , schreibt er Constanze. Es geht ihm gut. Ob das auch an den stets willkommenen Streicheleinheiten liegt, die er sich hier von seinem Sohn verabreichen lässt? Hans, der mich mit den Leuten hat verhandeln hören, zollt mir seine größte Anerkennung .

Das Sagen aber haben die Sieger
    Storm geht mit gesund gemischten Gefühlen an die neue Aufgabe. Er kann auf sich bauen: In Husum hat er als Advokat gearbeitet, in Potsdam hat er das preußische Rechtssystem kennen gelernt und die Ausbildung zum Richter geschafft, und schließlich hat er in Heiligenstadt das Richteramt erfolgreich ausgeübt. Da ist ein Erfahrungspolster, das ihm, dem feinfühligen Schwarzseher, genug Selbstvertrauen gibt.
    Er ist noch nicht vollständig vertraut mit dem neuen Amt; bekannt ist es ihm sehr wohl. Als Anwalt in Husum hat er mit dem Landvogt zu tun gehabt und von seiner Arbeit und Verantwortung gewusst. Der Landvogt war ein angesehener Mann mit großer Autorität. Sein Amt hatte im deutschen Reich und im dänischen Gesamtstaat eine lange Tradition. Er war der örtliche Vertreter des Landesherrn und sorgte für Ruhe und Ordnung, für Recht und Gericht. Während der Landvogt spätestens mit den Stein-Hardenbergschen Reformen im Deutschen Reich, wovon auch das Herzogtum Holstein ein Teil war, am Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft wurde, waltete er in dem nach dänischem Verwaltungsrecht aufgebauten Herzogtum Schleswig noch seines Amtes. Er verschwand dort erst 1867 nach der Einverleibung durch Preußen mit der Einführung eines modernen Rechts- und Verwaltungswesens.
    Der Landvogt verschwand, die Vögte blieben, wovon es in Schleswig-Holstein Deichvögte, Schneevögte, Strandvögte, Kirchspielvögte, Bauernvögte gab, manche wirkten noch bis hinein ins 20. Jahrhundert; sie waren amtlich oder ehrenamtlich bestellte Personen, die den Willen des obersten Herrn ausriefen.
    Das Schleswiger Vogtwesen war vom dänischen Recht geprägt, während das im Norden bis zur Eider in Holstein geltende deutsch geprägt war. Die Verwaltungsbezirke nördlich der Eider hießen »Harden«, nach dem dänischen »Herred«. Bis in die heutige Zeit hat sich dieser Begriff erhalten. »Karrharde« heißt noch ein Verwaltungsbezirk in Nordfriesland. Harden waren Verwaltungsbezirke mit einem vom König ernannten Hardesvogt an der Spitze. Der vereinte in seiner Person die gerichtliche und die polizeiliche Gewalt. Für den Hardesvogt brachte das Machtfülle und doppelte Autorität. Das heißt, dass ein Beschuldigter vom Anfangsverdacht an in der Hand des Hardesvogtes war und dies über alle Stationen des Strafverfahrens bis zum Ende der Strafvollstreckung blieb .
    Wer sollte den Land- oder Hardesvogt kontrollieren in seinem oft abgelegenen Amtsbezirk? Wer wollte ihm wehren, wenn er seinen Dienst willkürlich und selbstherrlich ausübte und kein Gewissen wie Storm spürte?
    Hardesvogt – das wäre eigentlich Storms Amtsbezeichnung gewesen, hätte nicht der dänische König am 7. März 1800 beschlossen, für den Bezirk Husum und um Husum herum den »Landvogt« einzuführen. Darum rief man Storm auch als »Landvogt« und nicht als »Hardesvogt« ins Amt. Der Landvogt in Husum war nicht nur Herr über eine Harde, sondern seine Zuständigkeit erstreckte sich über das ganze Amt Husum. Storms Stellung war also herausgehoben. Er rechnete mit einem Jahresgehalt von dreitausend Talern; verglichen mit den fünfhundert Talern Anfangsgehalt in Heiligenstadt wäre das ein gewaltiger Sprung gewesen.
    Storm betrat in der Heimat ein Rechtsgebiet, das Preußens moderner Justizverwaltung keineswegs ebenbürtig war. Die Amtsbezirke waren nicht überall mit ausgebildeten Juristen besetzt, vor allem aber schleppten sich die anstehenden Straf-

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