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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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diesbezüglichen Richter-Erfolg die Rede ist, legen nahe, dass er auch bei den gerichtlich formal abgehandelten Strafsachen sich persönlich einbringt und sicher manches Mal seiner Anteilnahme wegen caput geht. Die Protokolle geben darüber keine Auskunft, wohl aber kann man das schließen aus seinen Briefen, in denen sich die Persönlichkeit Storm immer wieder auf diese Weise offenbart.

Ein kleines Endchen für uns, ganz für uns
    Storm hat mehrere Häuser besichtigt und sich für das Predigerwittwenhaus in der Süderstraße entschieden. Für jeden der Familie ist da Platz, es gibt auch ein Dienstzimmer für den Landvogt und seinen Schreiber. Constanze darf sich freuen auf ein geräumiges Zimmer für Dich nach Süden mit der Aussicht auf Rödemis u. auf die Eisenbahn.
    Bei den Eltern in der Hohlen Gasse genießt Storm das alte Zuhause, das ihn stärkt und im Gleichgewicht hält, das neue Amt vermittelt ihm Selbstbewusstsein. Seine Briefe an Constanze sind liebevoll und ohne Eifersucht, er würzt sie sogar mit einem Quäntchen Humor, den er sonst nur selten vorrätig hat. Und: Constanze über alles, denn ich glaube doch am Ende, daß ich auf der Welt nur noch eine Heimath habe, und die ist überall, wo Du nur bist. Um das Warten zu belegen und täglich zu überwachen, verzeichnet Storm jeden Tag, der noch bis zu ihrer Ankunft verfließen muss, mit einem Kreidestrich an einer Wohnungstür. Jeden Abend wird ein Strich abgewischt. Er will von der fliehenden Zeit ein kleines Endchen für uns, nur für uns einfangen.
    Während Storm für die Familie schon Haushaltshilfen einstellt und in Gedanken das noch nicht eingetroffene Umzugsgut an Ort und Stelle platziert, überlegt Constanze in Heiligenstadt, welche Besitztümer sie auf die Auktion und welche nach Husum befehlen soll. Es herrscht Hundekälte bei Schnee und Nachtfrost. Sie kämpft gegen Kopf- und Unterleibsschmerzen, sie muss noch Wäsche waschen und auf besseres Trockenwetter hoffen. Miete und Arztrechnung müssen bezahlt werden. Die Auktion wird nicht so viel bringen, wie Schulden zu begleichen sind. Constanze muss die hustenden, schniefenden, zahnenden Kinder im Auge behalten: Ernst, Karl, Lisbeth, Lucie und Elsabe, den Fliegedeuvel . Verteufelt geht es auch mit Länge, Breite, Höhe zu; denn noch ist in deutschen Landen das Metermaß nicht das übliche (erst am 26. September 1889 übernimmt Deutschland das Meter und das Kilogramm). Matratzen und Bettgestelle misst Constanze mit der Elle. Die ist jedoch in Preußen (66,69 cm) größer als in Schleswig-Holstein (57,20 cm), und in Schleswig-Holstein wiederum ist sie größer als in Hamburg (57,08 cm). Storm bittet also Constanze, sie möge das richtige Ellenmaß als Schnittmuster zu Papier bringen und schicken, damit er unbedenklich messen kann. Auch mit dem Kupferstich »Die Zerstörung Jerusalems«, dem Abschiedsgeschenk seines Singvereins, darf nichts schief gehen. Er möchte das Bild in einer besonders angefertigten Kiste und in Watte verpackt nach Husum befördern lassen. Es kommt anders, denn der Spediteur meint, es müsse im Wäscheschrank verpackt werden. Wie wichtig Storm die gewechselten Briefe sind, zeigt seine Beunruhigung um die Korrespondenzvorräte: Sorge doch recht dafür, daß kein Fetzen unserer Briefschaften verloren geht . Auch Rosen von Freund Wussow und Bruder Otto möchte er nach Husum haben. Die Liste, die Constanze abzuarbeiten hat, ist lang. Sie schreibt Ich bin aber Gott Lob ganz gesund und werde auch ganz gut mit allem fertig, aber wenn ich bei Euch in Husum bin, singe ich ein Tedeum . Constanze unterschreibt mit herzlicher ewiger Liebe.

Storms Düppel ist Fontanes Preußen
    In all dem Umzugstrubel geht der Sieg der Preußen über die Dänen am 18. April 1864 auf den Düppeler Schanzen an Storm vorbei, dabei sei die Kanonade von Düppel in Husum vernehmbar gewesen , meldeten die »Itzehoer Nachrichten« zehn Tage später (28. 4. 1864). Das Aus über die Dänenzeit in den Herzogtümern hat mit einem auch für Storm hörbaren Kanonendonner begonnen, und er sagt dazu kein Wort; jedenfalls keines, das überliefert ist. Die Erklärung ist einfach: Dänemark und Preußen sind ihm gleich ungeheuer.
    Nach einer sechsstündigen Beschießung durch preußische Artillerie zog der preußische Musikdirektor Johann Gottfried Piefke Punkt zehn Uhr den Degen, so heißt es, dirigierte los, der Sturmangriff begann. Eine Generalsalve erfolgte, dann schwieg das Geschützfeuer, denn es war zehn Uhr. Eine

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