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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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und Zivilrechtssachen wegen der auch von Storm beklagten Arbeitsüberlastung viel zu lange hin.
    Storm übernimmt mit dem Landvogt ein Amt, das schon seit Jahren auch im Gesamtstaat Dänemark auf dem Prüfstand steht und im Sinne einer Gewaltenteilung reformiert werden soll. Der Krieg mit Preußen verhinderte das. Nach der Machtübernahme belassen Preußen und Österreich jedoch die Rechts- und Verwaltungsordnung in den Herzogtümern zunächst in ihren alten Bahnen, auch halten sie die meisten Beamten in ihren Ämtern. Das Sagen aber haben die Sieger. Nur mit ihrem Einverständnis, das der preußische Civilcommissar von Zedlitz für sein Hoheitsgebiet Schleswig anzeigt oder verweigert, kommen Recht und Ordnung zur Geltung, und so kommt auch Storm zu seinem Amt, zunächst nur vorläufig. Die interimistische Verwaltung der Landvogtei für das Amt Husum ist dem Kreisrichter Theodor Storm Heiligenstadt übertragen, wird am 15. März 1864 aus Husum im »Rendsburger Wochenblatt« gemeldet. Storms endgültige Anstellung erfolgt erst zweieinhalb Jahre später, als von Zedlitz dem Landvogt Herrn Storm Wohlgeboren in Husum mit dem Datum 6. September 1866 die Bestallungsurkunde ins Haus schickt. Zu diesem Zeitpunkt regiert Preußen in Schleswig-Holstein schon allein, denn gerademal vor vierzehn Tagen (23. 8. 1866) hat es mit Österreich den Frieden zu Prag geschlossen, nachdem der alte Bundesgenosse bei Königgrätz (3. 7. 1866) besiegt worden war. Bismarck ist am Ziel, die Annexion der Herzogtümer steht nur noch als Formsache zu Papier. Die Formsache von Storms Bestallung wird in diesem großen Zusammenhang erledigt. Seine »Wahl« zum Landvogt, die angeblich in Caspersens Saal in Husum erfolgte, ist nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte Schleswig-Holsteins und eine Anekdote aus den biographischen Erzählungen zu Storm.
    Der Landvogt-Posten hebt und festigt Storms gesellschaftliche Stellung. Er darf sich zweimal sonnen, einmal im Stolz der Familie und einmal in seinem Amt, das einen Glanz wie von Adel verstrahlt, in früheren Zeiten hätte ihm der Landesherr dafür durchaus den Grafentitel verleihen können: Im Übrigen ist es schon eine Freude, sich in der alten teuern Heimat wieder das Nest zu bauen; mein Amt gibt mir eine sehr selbständige und angesehene Stellung und ist mir in der Tätigkeit, die ich zu entwickeln habe, sehr lieb, schreibt er seinem Freund Pietsch. Ungewohntes erwartet Storm aber auch als obersten Kriminalpolizisten und lässt ihn das widerwärtige Grauen noch immer nicht verwinden. Das Bild des todten, nackten, rothhaarigen Mannes, der mit ausgesperrten Beinen auf einem Tisch lag, legte sich wie ein schmutziges Blei auf alles, was mir in Gedanken kommt.
    Gleich von Anfang an, ganz wie schon in Heiligenstadt, gehört das Vergleichen zu Storms bevorzugt praktizierten Richtertätigkeiten. Da ist er in seinem Element. Storms Vergleichskunst lässt auch in Husum die Parteien weich werden und ihn zum Erfolg kommen. Wi hebt je nu so’n gude Landvaugt, sagt ein Streithahn bei einer Vergleichsverhandlung. Aber auch im Polizei- und strafrechtlichen Bereich verbucht Storm mit seinem rhetorischen Geschick und menschlichen Einfühlungsvermögen Erfolge. Im oben genannten Mordfall kann er mit seinem Pfund wuchern: Heute Morgen langes Verhör, ich brachte den Verbrecher zum Geständniß, ging aber selbst ganz caput dabei .
    Heiner Mückenberger meint, dass der Landvogt Storm eine auf schnelle Erledigung bedachte, im Grunde wenig beteiligte Instanz war und alles andere als ein sich persönlich einbringender Richter, alles andere als ein volkstümlicher Dorfrichter . Mückenberger schließt das aus den Gerichtsprotokollen, die er in seinem Buch zitiert und kommentiert. Tatsächlich sprechen aus diesen Schriftstücken wenig Anteilnahme und Mitleid, sie bestehen schlecht und recht als juristische Belege, sie vermitteln die befremdliche Distanz, die Sprache im Dienst von Recht und Gericht bewirkt. Diese Sprache ist angewiesen auf Norm und Form; sie hat sich bis heute so erhalten.
    Auf schnelle Erledigung seiner Fälle ist Storm selbstverständlich bedacht, das ist ihm auch deswegen wichtig, weil er mehr Zeit für das Dichten und Denken wünscht. Schnelle Erledigung erwartet der Dienstherr, manchmal auch der Gesetzesbrecher. Storm sei eine wenig beteiligte Instanz und bringe sich persönlich nicht ein? Unwahrscheinlich, denn Storms Briefzeugnisse, in denen von seiner Vorliebe für den Vergleich und seinem

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