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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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lautlose kurze Pause folgte, dann schlugen die Tambours den Sturmmarsch, drei Regimentschöre spielten: ›Ich bin ein Preuße‹, und mit tausendstimmigem Hurrah ging es auf die Schanzen los .
    Musik – das Geheimnis des Sieges? Den verdankten die Preußen vor allem ihrer dreifachen Übermacht mit 37 000 Soldaten, aber auch dem Einsatz ihres Zündnadelgewehrs, des Hinterladers. Damit konnten die Soldaten im Liegen nachladen, schneller und mehr feuern als ihre dänischen Gegner, die mit ihrem veralteten Vorderlader im Hintertreffen waren.
    Fünf Tage nach dem Sturm auf Düppel, am 23. April, holt Theodor Constanze und die fünf Kinder in Harburg ab, am 25. trifft die Familie in Husum ein, dann kommen die letzten Möbel. Storm schreibt an den überzeugten Preußen Pietsch: Dieser Umzug frisst mich trotz Vaters Hülfe mehr als ganz auf; 500 Taler reichen nicht.
    Das Predigerwitwenhaus in der Süderstraße 12, das die Storms nun beziehen, steht immer noch, es ist schmal, hoch und lang, über dem zweiten Stockwerk ragt der spitze Giebel mit zwei kleinen quadratischen Fenstern und einem runden Fenster noch darüber. Von dort oben geht der Blick steil hinunter in die Süderstraße. Ebenso blickt man von den drei darunter liegenden großen rechteckigen Fenstern auf die Kopfsteine da unten. Hier oben, im zweiten Stock, liegt auch das große Wohnzimmer, hier wollen die Storms ihre Gesellschaften geben. Aus den Wohnzimmerfenstern in der Rückseite des Hauses sehen wir zunächst auf die Storchenfamilie auf unserem Waschhaus, dann über die Bäume unseres Gartens, über Wiesen nach einem Dorf [Rödemis] und dem kleinen Bahnhof, wo wir die Züge kommen und gehen sehen . Im Garten sitzt die Familie auf einer Bank, man blickt auf einen blühenden Zaun und trinkt Tee, es ist wirklich die reine Sommerlust .
    Diesem friedlichen Bild stellt Storm ein bedrohliches gegenüber, denn gerade zieht eine Portion 60er Preußische Infanterie ein, von allen Häusern wehen die dreifarbigen Fahnen; jetzt empfangen die Leute die Preußen als ihre Freunde. Könnten wir die verfluchte Junkerbrut nur – – Auch hier kein Wort über die Düppeler Schanzen und Preußens Sieg. Was hätte ihm wohl ein dänischer Sieg bedeutet? Der eigensinnig auf ein unabhängiges Schleswig-Holstein festgelegte Storm lässt, wie die in Husum lebenden Dänen, seine Fahnen im Schrank. Erst wenn der erste schleswig-holsteinsche Soldat auf den Beinen steht; dann stecke ich auch eine Fahne heraus […] hab mich auch weder den Kommissären noch dem Herzog vorgestellt ; es ist so was von instinktiver verbissener Opposition nach allen Seiten in mir , schreibt er an Pietsch. Storm ist verbohrt und verbiestert; weiß er nichts mehr von der dem Herzog gewidmeten überschwänglichen Lobpreisung, die er für alle Fälle verfasste? Hat er den schwarzen Anzug vergessen, den er sich bei Schneider Mangels anfertigen ließ, um dem preußischen Kommissar in Flensburg anständig gekleidet gegenüberzutreten? Es geht bunt zu in Storms Denken über die Sieger: Harmlose Menschenkinder, diese österreichischen Leutnants; aber es ist, als wenn sie gar nicht zur gebildeten Gesellschaft gehörten; beschränkte Kriegshandwerker. Da ist so ein infamer Bengel von preußischem Leutnant trotz alledem noch ein anderer Kerl. Immerhin: Wenn auch die Österreicher nicht in Düppel mitgestürmt haben, so tragen sie doch ihr Scherflein zur Befreiung der Herzogtümer bei. Gerade sind sie auf Sylt gelandet und haben die Dänen vertrieben. Die Sylter jubeln ihren Truppen zu. Vom Krieg merken wir nicht mehr als Ihr dort; es kommt eigentlich nur durch die Zeitung uns zu, und ist es wirklich mitunter, als sei es hinten weit in der Türkei, schreibt Storm, Faust im Hinterkopf, an Pietsch im Juli 1864.
    In Feiertagslaune und friedensgewiss steht die Stimmung bei Storm nicht. Noch treten die Sieger als Besatzer auf, noch steht für Storm einiges auf dem Spiel. Wird er seine amtliche und seine gesellschaftliche Stellung halten können?
    Seine hin- und hergerissene Haltung, die in seinem Hass auf Preußen und die Junkerbrut gründet, spricht sich herum, weil er den Mund nicht halten kann. Seinen Vorgesetzten im Berliner Ministerium bleibt das nicht verborgen. Pietsch warnt aus Berlin, er sei in Mißliebigkeit und Ungnade im hiesigen Ministerium gefallen. Der Freund ist Preuße durch und durch und ein leidenschaftlicher Verfechter der Bismarckschen Politik: Denn daß Ihr schließlich doch annektiert werdet, denke ich,

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