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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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vorigen. Monats unter andern auch das schwere Feld-Lazarett zu Rinkenis besuchte und an die schwer verwundeten Helden anerkennende und tröstende Worte richtete, wurde Seine Majestät durch Seine königliche Hoheit den Prinzen Friedrich Carl auf den schwer verwundeten Unteroffizier Reiß der 3. Compagnie 60. Regiments aufmerksam gemacht, wie derselbe, nach dem Bericht seines Compagnie-Chefs, mit der größten Unerschrockenheit der Sturm-Colonne voraneilend, der erste auf der Schanze Nr. 2 gewesen, dort mit unglaublichem Muth und wahrhafter Todesverachtung mit dem Kolben gekämpft, mehrere seiner Feinde niedergeschlagen und sogar noch, nachdem er zwei Schüsse durch das linke Schienbein erhalten, auf einem Bein stehend, einen nach ihm geführten Hieb parirt und den Feind zu Boden geschlagen habe, und daß der Unterofficier Reiß wegen seines heldenmüthigen Verhaltens der höchsten Auszeichnung würdig sei.
    Worüber aber haben Storm und Fontane sich fast um den Hals geredet ? Düppel und Preußen sind offensichtlich nicht dabei. Storm und Husum, das hat im Vordergrund gestanden. Kindererziehung und das Natürliche waren ein Thema. In sein Tagebuch notiert Fontane: Husum und Storms Haus sehr nett. Jahrmarkt; die Stadt flaggt, Spatziergang. Bei Storm geplaudert und feierlich in Cap Constantia [Wein aus Südafrika] Gesundheiten ausgebracht. Nach 11 ins Hotel.
    Monate später lässt Fontane seiner Preußenbegeisterung freien Lauf im Gedicht »Einzug (7. Dezember 1864)«, als die siegreichen Truppen in Berlin wieder heimatlichen Boden unter den Stiefeln haben. Aber auch nüchterne Kritik fließt mit etwas zeitlichem Abstand aus seiner Feder: Der Krieg ist längst zu einer Wissenschaft des Tödtens geworden , schreibt er zum Thema Zündnadelgewehr. Das alles, auch das Nüchterne, liegt Storm fern. Die Einzugs-Verse benotet er allerdings mit meisterhaft ; damit unterstreicht er seine Anhänglichkeit, ob wir auch im geschiednen Lager stehen . Verständlich wird nun, warum er dem Freund nach Berlin schreibt: Ich habe diesen Phrasenkram, aus dem sich diese Welt zusammensetzt, mitunter bis zum Speien satt. Der Freund aus Husum schließt seinen Brief mit einem kritischen Blick auf sich selbst und auch mit Trotz: Storm, wie nun einmal beschaffen .
    Noch einmal, zwanzig Jahre später, haben sich Storm und Fontane in Berlin gesehen; Briefe gingen weiter hin und her. Storm schreibt Liebster Fontane , und Fontane redet den Freund an mit Lieber Storm oder Theuerster Storm; da ist es eher Fontane, der Distanz zeigt.

Dänisch Westindien in Husum
    Hier also, in der Süderstraße, haben sich die Storms eingerichtet. Heute gibt eine Tafel rechts neben der Eingangstür Auskunft. Auf dem Husumer »Kulturpfad« ist das ehemalige »Predigerwitwenhaus« die Nummer 8: Wohnung Storms 1864–1866 , eine von den Stormstätten, wovon die graue Stadt am Meer unzählige hat. Kaum ein Quadratmeter Boden, den der Dichter hier nicht betreten oder bedichtet hätte. Der Boden ist ganz wie der alte, nur die Luft von damals ist verweht. Daraus hat man die Erinnerung erwachsen lassen, und dieser Erinnerung zuliebe nennt sich Husum »Storm-Stadt«.
    Hier vollendet unser Dichter die schon in Heiligenstadt angefangene Novelle »Von Jenseit des Meeres«, eine Erzählung vom Schicksal des Mischlingsmädchens Jenni aus der Karibik. Dafür greift Storm wieder einmal in die eigene Familiengeschichte. Ein Brief, den er vor knapp zwanzig Jahren an seine damalige Verlobte Constanze schrieb, gibt Auskunft: Gestern hab ich auch zum ersten Mal die Kinder des Woldsen aus St. Thomas gesehen, die bei Tine Woldsen sind, ein Jung von 8 J, ein Mädchen von etwa 6 J. Sie sind, so viel ich weiß mit einer Creolin erzeugt, mit der der Vater in dem dort gewöhnlichen Concubinatsverhältniß lebt. Der Jung ist häßlich, ein Woldsen. Das Mädchen aber wirst Du Dir im Sommer gewiß noch oft hinten durch den Garten holen, der blasse Teint, die fremdartigen spanischen Augen sind wirklich interessant; dabei ist das Gör sehr zuthulich und lebendig . Fünf Wochen später schreibt Storm an Constanze: In das Gör wirst Du Dich gewiß noch ernstlich verlieben, sie hat ein paar tolle Augen im Kopf, und dann müsstest Du ihre Unterhaltung hören . Das Gör heißt Alida (1840–1926), sie ist die Tochter des Christian Albrecht Woldsen (1789–1868), eines Bruders des von Storm so geschätzten »Weihnachtsonkels« Ingwer Woldsen. Christian Albrechts Schwester Magdalena Christine (1780–1854),

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