Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)
nicht im väterlichen Vorrat hat.
Sie war zunächst aus Storm-Sicht keine gute Partie, denn weder war sie vermögend noch stammte sie aus einem angesehenen Haus; schwer wog auch das Argument Schönheit: Unsere Braut ist nicht hübsch, eher das Gegentheil: klein und unansehnlich von Gestalt dazu, so schrieb Storm in den Familiennachrichten an Bruder Otto zu Weihnachten 1880. Inzwischen hat er aber Gefallen an ihr gefunden. Er lobt in einem Brief an Ernst ihre tröstliche Heiterkeit und ist bald überzeugt, dass sie für seinen Melancholiker-Sohn genau die Richtige ist. Tatsächlich erweist Maria sich als geschickt und klug ihren künftigen Schwiegereltern gegenüber, die Briefe nach Hademarschen schreibt sie angenehm selbstbewusst und frisch drauflos, damit hat sie schnell das junge Herz des alten Storm erobert und das von Doris gleich mit. Auch die Eltern, der Musiklehrer am Seminar in Tondern Adolphe Krause (1830–1900) und seine Frau Friederike (1837–1813), finden bald bei den Gegenschwiegereltern ein offenes Haus. Vater Krause ist ein Mann wie aus der Idylle einer Storm-Novelle, er summt und brummt und raucht, während er im großen Garten von Hademarschen auf und ab geht, einem wurde ganz wohl und zuversichtlich zu Muthe, wenn man ihn so früh morgens, aus seiner Meerschaumpfeife rauchend, ein Lied vor sich hinbrummend, so in sich vergnügt auf den Gartensteigen wandeln sah . Die »Meerschaumpfeife« liegt längst griffbereit im Prosa-Fundus des Dichters und verstrahlt damit sein Lieblingswort »Behaglichkeit«. Krause ist ein frischer Mensch mit einer Kinderseele und fast immer mit einer Melodie auf den Lippen, noch jugendlich kräftig, schreibt Storm an Karl in Varel. Das Haus der Familie Krause in Tondern wird ein wichtiger Außenposten für die Storms.
Storm hofft für seinen Ernst auf günstigen Einfluss von dieser Seite; allerdings spricht sich auch bis zu den Krauses herum, was für ein Amtsrichterleben Ernst in ihrer Nähe führt; er kann, wenn er nicht zur Braut geht, das Wirthshausleben nicht entbehren, er hat, wie seine Schwiegermutter andeutete, vor dem Verlöbniß auch in Tondern noch ein paar Tollheiten gemacht. Er ist kein Mann auf Nummer Sicher .
Damit mehr Sicherheit in den Mann kommt, lässt Storm auch bei Ernst nicht locker in seinem Kinder-Fürsorgewahn. Neben Mahnung und Ratschlag, die in schneller Folge per Brief eintreffen, wird Aussteuer beschafft wie für eine Tochter, die verheiratet werden soll, gleichzeitig kommen Anleitungen zu Haushalt und Hygiene: Ich habe für Dich also neu angeschafft 2 Mal Ober u. Unterlaken, so daß Du wechseln kannst, was genügen wird, wenn Du Deine Wärterin anweisest, die schmutzigen sogleich zur Wäscherei zu bringen, wenn sie die reinen aufgelegt. Auch vergisst er nicht den Hinweis, dass er alles aufgeschrieben habe zur demnächstigen Theilung unseres Nachlasses, die hoffentlich noch nicht so bald erfolgen soll.
Nun lockt der Sohn die geballte Aufmerksamkeit des Vaters mit einem Thema herbei, das der schon immer brennend gern verfolgte, das Geister- und Gespensterwesen, im vorliegenden Fall: Spuk im Amtsrichterhaus von Toftlund. Das Gemunkel vom Spuk in seiner Wohn- und Amtsstätte scheint für Ernst ein gefundenes Fressen; denn damit lässt sich der Vater gut füttern. In einem Brief an seine Verlobte Maria berichtet er am 7. Oktober 1881 wie ein Fachmann für Spuk und Gespenster, der hier einen Fall untersucht: Mit der Geisterseherei nimmt es seinen Fortgang; der Dr. med. Pöpperling nickt ein wenig ein in meinem bewußten Stuhl und sieht den dritten Mann noch beim Erwachen, wie er meint. Dies war vorgestern, zwar nach starkem Trunke . Man hört den Angeber heraus und wie er den starken Mann markiert. Zu viel Alkohol oder zu viel Phantasie oder beides im Spiel? Wenig später schickt Ernst diese Spuk-Geschichte auch nach Hause. Ob er dabei ebenfalls vom starken Trunke schreibt, ist nicht bekannt. Den Nerv des Vaters hat Bauernfänger Ernst allerdings voll getroffen. Storm liest Doris und ihrer Schwester Agnes den Brief vor, den Kindern verschweigt er den unheimlichen Theil für jetzt . Hans in Frammersbach erhält allerdings eine Abschrift. Mit dieser Geheimniskrämerei rüstet Storm den Fall auf, der unheimliche Theil wird noch unheimlicher.
Storm antwortet seinem Amtsrichtersohn als erfahrener und spitzfindiger Deuter solcher Geistererscheinungen. Dieses Gespenst ist am Ende ein alter Gauche [Gauch = Narr, Nichtsnutz], da es immer durch den
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