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Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition)

Titel: Du graue Stadt am Meer: Der Dichter Theodor Storm in seinem Jahrhundert. Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Missfeldt
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Vater u. Sohn zusammenstehen .
    Der Wiederholungsfall bleibt nicht aus, zum Glück aber das neue Disziplinarverfahren. Kartenspiel und Alkohol sind weiterhin treue Begleiter. Der Mann müsste weniger Geld ausgeben, als er in der Tasche hat. Aber auch das Sparen will gelernt sein, schreibt Ernst an seine Verlobte. In meinem elterlichen Hause habe ich es nicht gelernt . Da hat er auf seine Weise Recht, denn der Vater stopfte in seinem Fürsorge-Eifer und Standesdünkel, die sein Kind nicht verwahrlosen lassen durften, stets die Löcher, die der Sohn ins Portemonnaie riss. Darauf konnte der Sohn bauen; gelernt hat er dabei nichts.
    Schulden drücken den Sohn noch kurz vor der Hochzeit nieder und er beichtet das wieder einmal seinem Vater. Jetzt sitzt Dir das Messer an der Kehle, Du hast Dir selber nicht geholfen, nun muß ein andrer helfen, antwortet Storm. Er tut wieder einmal sein Bestes, verhandelt mit der Husumer Sparkasse und den Brüdern Johannes und Aemil. Jammer, Elend und das zerrüttete Selbstbewusstsein eines eingebildeten Kranken enthüllt ein Brief, den Ernst noch vier Wochen vor der Hochzeit an seine Maria schreibt: Mein lieber Schatz, ich werde in dieser Zeit von Schwermuth fast erdrückt. – Es ist meine Gesundheit, an der ich zweifle, nein jene fürchterliche Krankheit, an die ich glaube. – Es ist mir ein so furchtbarer Gedanke, daß Du für all Deine Frauen Liebe und Hingebung nur einen kranken Mann gewinnst, der bald von der Welt abtreten wird und Dich allein läßt. – Ich hätte Dir das vielleicht nicht schreiben sollen – und doch ich darf Dir gegenüber ja nicht schweigen. (…) Du armer Sonnenschein – mein lieber Schatz, wenn es ein Unrecht war, daß ich Dich an mich riß, ich büße es jetzt .
    Am 1. August 1883 feiert Ernst in Tondern Hochzeit. Storm hat gedrängt, alles im Rahmen zu halten, damit Brautvater Krause nicht auch noch Schulden machen muss. Nach norddeutscher Sitte haben Freunde das Amtsrichterhaus mit Kränzen geschmückt. Herr und Frau Amtsrichter werden mit einem kräftigen Hurra an ihrem neuen Zuhause empfangen. Im Flur ist ein Spruchband aufgehängt mit den Worten »Euren Eingang segne Gott«. Die Storms aus Hademarschen reisen selbsiebent nach Tondern. Karl aus Varel und Lisbeth mit ihrer braunäugigen, zehn Monate alten Tochter Constanze aus Heiligenhafen sind mitgekommen. Das Großvaterdasein, wozu meine Naturanlage nicht eben besonders neigt, ist für Storm ein Problem. Hat das Problem zu tun mit der Hilflosigkeit und Unfertigkeit der Enkelin, die den Großvater noch nicht anhimmelt, sondern ihm mit Babygeschrei und voller Windel die Ruhe raubt?
    Hochzufrieden ist Storm allerdings mit der Hochzeit in Tondern, der ungeliebte rothe Vogel IV Classe, der Rote Adlerorden, und der geliebte Maximiliansorden sind angelegt: Ich hätte nie gedacht, daß eine Hochzeit (einschließlich der Trauung in der alten Kirche durch den 72 jährigen Propsten, einen Mann noch aus der alten Schule, und nebenbei ein tüchtiger heimathlicher Geschichtsforscher) mich äußerlich und innerlich so befriedigen könnte, schreibt er an Paul Heyse. Vielleicht ist Storm auch deswegen so zufrieden, weil er seinen Blick durch die »Christ-Kirche« wandern lassen kann und einen Namen am Lettner eingeschrieben findet, den er sich gemerkt haben könnte: Theod. Haÿen.

Lucies Kissinger Phantasie
    Im März 1881 schickt Lucie die Nachricht von der Auflösung ihrer Verlobung mit Hermann Kirchner. Hermann geht schweren Herzens den ersten Schritt. Storm berichtet Ernst aus Lucies Brief, Kirchner wolle ihr deshalb die Freiheit geben, u. bis für sie eine andere Partie gefunden, sich für gebunden erachten. Lucie sei zuerst ungehalten gewesen, schließlich aber halte sie selbst die Aufhebung für das Richtigste; Herm. sei in der letzten Zeit auch so furchtbar (katholisch) orthodox geworden, so daß sie ihre Ansichten nicht mehr mit ihm vereinigen könne .
    Wie ehrlich ist Vater Storm? Wie viel altbekannte Selbsttäuschung regiert den Dichter? Liegen da nicht immer noch wichtige Probleme auf dem Tisch? Nicht nur Hermanns katholischer Glaube liegt und wiegt da schwer, sondern noch schwerer drückt: Der Heiratskandidat hat immer noch keine eigene Apotheke. Und dieser Sachverhalt liegt wiederum Hermann Kirchner selber schwer im Magen. Der lässt ihn auf seine Weise nervenschwach reagieren, denn neulich wurde er ohnmächtig, schreibt Lucie. Er wird sich auch blamiert fühlen durch den reichen Onkel, der ihm angeblich

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