Du lebst nur zweimal
ein Gebot der Höflichkeit. Deshalb muß ich im voraus für meinen Sieg um Verzeihung bitten.«
Bond lachte fröhlich. »Mein lieber Tiger, es hat keinen Sinn, ein Spiel zu spielen, wenn man nicht zu gewinnen versucht. Ich würde es als große Beleidigung ansehen, wenn Sie mich bewußt gewinnen ließen. Aber Ihre Worte sind ausgesprochen provozierend, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten. Sie erinnern mich an die gegenseitigen Verhöhnungen der Sumo-Ringer vor dem Kampf. Sagen Sie bitte unserer liebreizenden Zuhörerschaft, daß ich die Absicht habe, Ihnen eine ehrenwerte Abreibung bei diesem Spiel zu geben und damit nicht nur die Überlegenheit Englands über Japan, sondern auch die unserer Königin über euren Kaiser zu demonstrieren.« Bond, offensichtlich durch die Wirkung des saké ermutigt, hatte sich eine Blöße gegeben. Diese gegenseitigen Witze über ihre verschiedenartigen Kulturen waren zwischen ihm und Tiger üblich geworden. Doch nach diesen Worten bemerkte Bond das plötzliche Aufblitzen in den dunklen Augen, und er mußte an Dikko Hendersons Warnung denken: »Jetzt hören Sie mal zu, Sie schwachsinniger Hinterwäldler! Sie machen sich ganz gut. Aber fordern Sie Ihr Glück nicht heraus. T. T. ist für ’nen Japaner ’n ganz zivilisierter Bursche. Aber übertreiben Sie’s nicht. Schauen Sie sich den Knaben genau an. In dem fließt Mandschu- und Tatarenblut. Und vergessen Sie nicht, daß er bereits Großmeister im Judo war, ehe er auf euer verdammtes Oxford ging. Und vergessen Sie nicht, daß er schon für Japan spionierte, als er sich vor dem Krieg noch stellvertretender Marineattaché an Ihrer Londoner Botschaft nannte und von euren Vollidioten für harmlos gehalten wurde, weil er in Oxford ’nen akademischen Grad bekommen hatte. Und vergessen Sie vor allem nicht seine Militärlaufbahn. Er war persönlicher Adjutant von Admiral Ohnishi und trainierte für den Einsatz als kami-kaze. Und wenn Sie das alles vergessen sollten, dann fragen Sie sich, warum von den neunzig Millionen Japanern ausgerechnet T. T. Chef des Geheimdienstes wurde. Ist das klar, James? Sind Sie im Bild?«
Seit Bond in Japan angekommen war, hatte er unverdrossen das Sitzen in der Lotosstellung geübt. Dikko hatte ihm dazu geraten. »Wenn Sie mit diesen Leuten zurechtkommen wollen«, hatte er gesagt, »und selbst wenn’s nicht klappen sollte, werden Sie ’ne Menge Zeit damit verbringen, mit Ihrem Hintern auf dem blanken Boden zu sitzen. Wenn Sie Ihre Gelenke nicht verrenken wollen, gibt’s nur eine Möglichkeit: den Schneidersitz, bei dem Sie mit gekreuzten Beinen und verdammt schmerzenden Fußkanten dahocken. Man braucht nur ’n bißchen Übung, aber es bringt Sie nicht um, und Sie werden schließlich damit >Gesicht< gewinnen.« Bond hatte sich mehr oder weniger daran gewöhnt, aber nach zwei Stunden brannten jetzt seine Kniegelenke, und er hatte das Gefühl, für den Rest seines Lebens krummbeinig herumlaufen zu müssen, wenn er seine Stellung nicht sofort änderte. Deshalb sagte er zu Tiger: »Wenn ich gegen einen Meister wie Sie spielen soll, muß ich erst eine bequeme Stellung einnehmen, damit sich mein Verstand ganz konzentrieren kann.« Er stand schwerfällig auf, reckte sich und setzte sich wieder - aber diesmal streckte er ein Bein unter dem niedrigen Tisch aus und stützte sich mit dem linken Ellenbogen auf das gebogene Knie des anderen Beins. Er hob sein Glas, und gehorsam füllte es »Bebendes Blatt« aus einer neuen Flasche. Bond schüttete den saké hinunter, gab dem Mädchen das Glas zurück und ließ die rechte Faust krachend auf den Lacktisch fallen, so daß die Kästchen mit Konfekt hüpften und das Porzellan klirrte. Er sah Tiger herausfordernd an. »Los!«
Tiger verbeugte sich. Bond bedankte sich mit einer Verbeugung. Das Mädchen neigte sich erregt nach vorn.
Tigers Blick bohrte sich in Bonds Augen, um seine Absicht zu erraten. Bond hatte sich entschlossen, ohne System zu spielen, einfach aufs Geratewohl.
Tiger sagte: »Drei Spiele mit je drei Runden?«
»Einverstanden.«
Die beiden Fäuste hoben sich langsam vom Tisch, hämmerten gleichzeitig zweimal nach unten und zeigten dann die Symbole. Tigers Faust blieb geballt: Stein. Bonds Hand war offen: das Papier, das den Stein einwickelt. Ein Punkt für Bond. Zweite Runde. Tiger blieb beim Stein. Bonds Zeigefinger und Mittelfinger formten die Schere, die an Tigers Stein stumpf wurde. Eins zu eins.
Tiger wartete einen Augenblick und legte die Faust an
Weitere Kostenlose Bücher