Du lebst, solange ich es will
hören.
R: Alter ich habe keine Geschichte.
M: Haben Sie gerade Schrott gesammelt, als Sie das Mädchen gesehen haben? Sie hatte sich verfahren, fragte Sie nach dem Weg, und was ist dann passiert? Sie hat Sie angemotzt, nicht wahr? Sie hat gesehen was sie machen, und hat Sie zurechtgewiesen.
R: Was? Ich habe überhaupt kein Mädchen gesehen. Ich habe ein anderes Auto gesehen, wie gesagt. Aber dieses Mädchen habe ich nie gesehen und ich habe ihr kein Haar gekrümmt. Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.
T: Aber -
R: Ich habe Ihnen alles erzählt. Sie haben gesagt, ich kann abbrechen, wann immer ich will. Und jetzt sage ich Stopp. Stopp, ich will nicht mehr mit Ihnen reden.
M: Okay, okay.
T: Vielleicht nicht mit uns. Aber überlegen Sie sich, ob Sie mit jemand anderem reden wollen.
R: Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, ich will nicht mehr reden. Ich will nicht mehr mit der Polizei reden.
T: Sie ist nicht von der Polizei. Sie heißt Elizabeth Lamb. Sie ist Hellseherin. Die Familie hat sich an sie gewandt, um herauszufinden, was Kayla zugestoßen ist. Sie wollen es unbedingt wissen. Sie könnte Ihnen helfen, sich zu erinnern.
R: Weiß nicht. Vielleicht. Aber ohne Aufnahmegerät. Und keine Leute hinter Spiegeln. Nur ich und sie. Sonst keiner.
Der sechste Tag
GABY
Ich hole tief Luft, bevor ich am Montagmorgen die Tür vom Haupteingang der Schule aufstoße. Bilde ich es mir nur ein oder starren mich alle an? Aber dann schnappe ich Gesprächsfetzen auf und weiß, dass es keine Einbildung ist. Ein schwarzhaariges Mädchen, dessen Namen ich nicht kenne, steht direkt zu mir und flüstert Kaylas Namen.
Jade, die Freundin des Mädchens, nickt wissend. Ich kenne Jade seit der dritten Klasse, aber jetzt sieht sie mich an, als gäbe es mich nicht in echt. Ich bin ein lebendes Fernsehprogramm, vielleicht eine Mischung aus True Crime Stories und America’s Must Wanted. Selbst diejenigen, die sonst nie Nachrichten im Fernsehen gucken oder eine Zeitung zur Hand nehmen, wissen, was los ist.
Auf dem Weg zum Unterrichtsraum kommt Chase Skloot auf mich zu. »Stimmt es, dass du mit Kayla die Schicht getauscht hast? Dass du an dem Abend hättest arbeiten sollen?«
»Sie hat mich darum gebeten.« Jeder kennt Chase, aber er hat noch nie auch nur ein Wort mit mir gewechselt. Allerdings habe ich gesehen, wie er mit Kayla gesprochen hat.
Er legt den Kopf schräg. »Hast du nicht das Gefühl, als ob, na ja, als ob es dich hätte treffen sollen?«
Das sitzt, aber ich gehe einfach mit gesenktem Kopf weiter.
Unsere Geschichtslehrerin, Mrs Sleater, verkündet zu Beginn des Unterrichts, dass den ganzen Tag über ein psychologischer Berater zur Verfügung steht, falls jemand über Kaylas Entführung reden möchte.
»Und über den Mord«, fügt ein Junge namens Jason hinzu.
»Das wissen wir noch nicht«, weist Mrs Sleater ihn zurecht. »Noch nicht.«
Gerade als ich beim Mittag mit Bezahlen fertig bin, berührt mich jemand am Arm. Es ist Brock Chambers, Kaylas Exfreund. »Hast du ’ne Minute?«
Ich lasse meinen Blick kurz durch die Cafeteria schweifen. Alle starren uns an. Alle. Sogar die Leute, mit denen ich sonst Mittag esse, beobachten uns mit offenen Mündern.
Brock wirkt normalerweise immer etwas verschlafen, aber heute sieht er einfach nur traurig aus. Wenn ich ihn so sehe, weiß ich, dass er Kayla niemals verletzen würde. Auch wenn sie ihn verletzt hat. Seine Augenlider stehen immer auf Halbmast, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er wach sein soll oder lieber nicht. Meistens sagt er nicht viel, aber er hat so ein gelassenes, sehr eigenes Lächeln. Da er in jedem Team der Schule ist, außer der Mathemannschaft, kennen ihn alle, und während wir zu einem Tisch in der hintersten Ecke der Cafeteria gehen, rufen Leute seinen Namen, grüßen oder nicken ihm einfach zu. Ein paar lächeln, doch dann blinzeln sie, als wäre das Lächeln ein Reflex, der ihnen peinlich ist.
Er trägt ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift KILLSWITCH, was wahrscheinlich irgendeine Band ist. Es spannt an seinen muskulösen Armen. Brock scheint aus lauter Vierecken und Dreiecken gebaut zu sein - eckige Schultern, einen Würfel als Kopf, Arme und Beine dick wie Baumstämme.
»Du weißt ja sicher, dass ich Brock bin«, sagt er und geht auf einen der hinteren Tische zu, an dem zwei Jungen aus der Footballmannschaft sitzen. »Kaylas Freund. Also, Exfreund.«
Ich habe ihn in der Pizzeria etliche Male bedient oder zumindest damit, angefangen,
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