Du lebst, solange ich es will
genommen, ist in die Stadt gegangen und hat vor einem Kino in eine Menschenmenge geschossen. Er traf sieben Leute, zwei davon tödlich, und schoss sich danach in den Kopf. Vor dem Amoklauf ihres Bruders hatte niemand Jordan beachtet. Danach haben sie alle angestarrt, aber keiner hat mit ihr geredet. Ungefähr zwei Wochen später kam Jordan nicht mehr in die Schule. Ich weiß nicht, ob sie die Schule abgebrochen oder gewechselt hat. Ich wünschte, ich hätte damals etwas zu ihr gesagt. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was das hätte sein sollen.
Ungefähr fünf Meter von meinem Auto entfernt drückt Drew vorsichtig auf den Knopf, um die Türen zu entriegeln. Wir werfen unsere Sachen auf die Rückbank, steigen ein und er gleitet mit den Fingern über die glatte Lenkradsäule auf der vergeblichen Suche nach dem Zündschloss.
»Du musst den Schlüssel hier reinstecken.« Ich zeige auf einen Schlitz am Armaturenbrett mit der Aufschrift STOP-START.
Er steckt den Schlüssel hinein und drückt auf den Knopf. Nichts passiert. Noch einmal. Beim dritten Mal hält er den Knopf länger gedrückt. Trotzdem tut sich nichts.
Ich bin so an das Auto gewöhnt, dass es einen Moment dauert, bis ich begreife, was Drew falsch macht. Ich beuge mich über ihn und sehe auf seine Füße. »Du musst auf die Bremse treten, sonst springt er nicht an.« Er riecht nach einer Mischung aus Seife und etwas Schweiß.
Drew blickt nach unten. »Oh Mann, sogar die Pedale sind rund. Alles in diesem Auto ist rund - der Rückspiegel, die Anzeigen, die Rückenlehnen -«
»Jemand hatte Spaß beim Entwerfen.« Alles in der Welt hat ein bestimmtes Design. Jemand hat beschlossen, wie tief und breit deine Müslischüssel sein soll, wie lang dein Löffel ist und welche Form die Flakes haben sollen, die du in die Schüssel schüttest. Ich sehe mir Gegenstände immer an und frage mich, ob ich sie auch so gestaltet hätte. Aber der Mini? Den Mini würde ich genauso lassen, wie er ist.
Als Drew alles richtig macht, springt das Auto leise an. Weil wir uns noch nicht angeschnallt haben, erklingt die Disco-Melodie und wir müssen beide lächeln. Wir legen die Gurte an und unsere Hände berühren sich dabei kurz. Ich erröte leicht und sage Drew schnell, wo er langfahren muss.
Drew ist vorsichtig. Das gefällt mir. Er überprüft den linken Außenspiegel, den Rückspiegel und den rechten Außenspiegel, umfasst mit beiden Händen das Lenkrad. Dann hebt er den rechten Arm und wendet sich zu mir. Im ersten Moment denke ich, er will mein Gesicht berühren, doch stattdessen legt er seine Hand auf die Rückenlehne vom Beifahrersitz. Er sieht nach hinten und parkt langsam rückwärts aus.
Als wir erst mal vom Parkplatz gefahren sind, entspannen wir uns beide etwas. Es ist seltsam, aber als ich am Steuer saß, war ich mir seiner Anwesenheit gar nicht so bewusst. Jetzt muss ich die ganze Zeit daran denken, wie nah wir uns gerade sind. Ich hörte, wie er ein- und ausatmet. Er muss den Blick auf die Straße gerichtet halten, aber ich kann ihn betrachten, seine tief liegenden Augen und seine sonnengebleichten Haare. Auf seinem Handrücken schimmern feine, blonde Haare.
»Wer hat dir das Autofahren beigebracht?«, fragt Drew ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
»Mein Dad. Ganz früh am Morgen auf dem Friedhof. Er meinte, dort wäre niemand, den ich verletzen könnte. Als ich zum ersten Mal hinter dem Steuer saß, dachte ich, etwas stimmt nicht mit dem Auto. Das Gaspedal wackelte ständig. Ich sagte es meinem Dad, allerdings lag es nicht am Auto - es lag an mir. Mein Bein zitterte, weil ich so nervös war.«
»Ist vielleicht ganz gut, etwas nervös zu sein«, sagt Drew. »Wenn man zu sicher ist, vergeigt man es.«
»Meine Eltern sind nie nervös«, sage ich.
»Niemals?«
»Nicht, dass ich wüsste. Wenn ein Anruf kommt, dass es einen schrecklichen Autounfall gegeben hat oder ein Kind beide Arme bei einem Unfall mit einem Mähdrescher verloren hat und mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden muss, drehen beide total auf, als hätten sie gerade literweise Kaffee getrunken. Sie scheinen überhaupt keine Angst zu haben.«
»Kann ja nur gut sein, wenn sie ihren Job lieben.« Er beißt sich auf die Unterlippe. »Ich würde das nicht machen wollen.«
»Ich auch nicht.« Ich sage Drew nicht, dass es mir manchmal so vorkommt, als würden meine Eltern nur bei der Arbeit so richtig aufblühen. »Und wer hat dir das Autofahren beigebracht?«
»Erst hat es
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