Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
aufs Instrument übertragen oder kleine Melodien selbst einstudieren. Vielleicht auch auf Basis der Tonleiter kleine Melodien für den eigenen Handyklingelton komponieren? Denn das Handy entspricht der Lebenswelt der Schüler, die Tonleiter eher nicht.
Mich wundert, dass kaum jemand den Nutzen der üblichen pädagogischen Ansätze – stur büffeln, wiederholen, wiederholen, wiederholen ... – anzweifelt. Ob Lehrer die Angst lähmt, dass sich die Eltern beim nächsten Elternabend beschweren könnten, sie würden ihre Themen ohne Rücksicht auf Verluste durchpauken? Dass die »armen« Kinder mit dem Unterrichtsangebot restlos überfordert seien, ist schließlich gängige Elternmeinung. Liebe Eltern, eine Tonleiter ist nicht
schwieriger zu begreifen als eine Handynummer, und die Funktionsweise eines Handys ist komplizierter zu verstehen als die Übertragung einer Tonleiter aufs Instrument. Wieso begreifen Kinder und Jugendliche das eine gern und mühelos, das andere partout nicht?
Ganz einfach: Lernen kann man nur für sich selbst. Schüler brauchen im Schulalltag mehr Freiräume, um sich in Themen vertiefen zu können. Würde die Funktionsweise eines Handys im Klassenverband genauso distanziert und theoretisch erörtert wie die allermeisten Unterrichtsinhalte, wären Schüler davon ebenso gelangweilt. Ein Handy will begriffen werden, eine mathematische Ableitung und ein Instrument ebenfalls. Verschiedene Funktionen wollen ausprobiert werden, erst dann setzt Verstehen ein, bei dem einen schneller, bei dem anderen langsamer. So findet eigenständiges Denken statt und der Schüler kann selbst erkennen, an welcher Stelle er noch Hilfe braucht.
Die Gleichmacherei in der Schulerziehung bremst jede individuelle Eigeninitiative und verhindert jegliche Anstrengungsbereitschaft. Denn damit vermittelt Schule, dass alle Kinder Anspruch auf gleiche Lernergebnisse haben. Deshalb darf es nicht sein, dass wenige alles können und viele wenig. Folglich heißt es: Was nicht alle können, darf keiner können. Dieses Ziel wird mit der bei den Schülern erzeugten Unlust und deren unweigerlich folgendem Tiefschlaf in der Schule hundertprozentig erreicht.
Viele Mütter und Väter kritisieren, dass sich die Kinder nicht entsprechend ihrer Möglichkeiten entwickeln könnten. Als Hauptgrund geben sie dabei eine fehlende individuelle Förderung ihrer Kinder an. Wir alle wissen, dass Kinder unterschiedlich sind und somit unterschiedlich lernen, auch finden sie zu den Fächern einen unterschiedlich guten Zugang. Diesem Umstand wird nicht dadurch Rechnung getragen,
dass man die Starken ausbremst und die Schwachen unentwegt wie störrische Esel voranschiebt. Und vor allem macht es die Schwächeren kein bisschen stärker, wenn man die Starken schwächt. Es ist auch fraglich, ob man ihnen Respekt und Akzeptanz entgegenbringt, wenn man das Denken für sie übernimmt und ihnen den Raum nimmt, sich selbst anstrengen zu müssen.
Wenn wir das akzeptieren könnten, müssten wir jedoch auch zugeben, dass es keine Chancengleichheit im Leben gibt, weil die Menschen individuell und einzigartig sind und der individuelle Erfolg immer noch davon abhängt, inwieweit sich jeder Einzelne ranhalten und dafür einsetzen mag. Nur so kann Stärke auch motivieren und Heranwachsenden auf dem eigenen Weg eine Orientierungshilfe geben in der Frage: Wo soll es hingehen?
Schule fördert das Gegeneinander
So absurd es klingt: Die beschriebene Gleichmacherei tritt in der Schule gepaart mit einem generellen Konkurrenzgedanken auf. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Konkurrenz, das Gegeneinander, grundlegendes Lebensprinzip ist. Gemäß der Überzeugung »Wo eine Sonne ist, kann es keine zweite geben« glauben die meisten, dass es allein schon von der Natur so gewollt ist, dass nur der Stärkste sich durchsetzt und somit der Mensch per se auf Konkurrenz ausgerichtet ist, wie folgende Schüleraussage zeigt: »Ich denke, dass Konkurrenz schon manchmal wichtig ist, denn Konkurrenz ist ein wenig wie Ehrgeiz, und viele Sachen machen ohne Ehrgeiz oder Konkurrenz keinen richtigen Spaß. Ich denke hier an Sport oder andere Spiele.«
Ein Menschenbild, das auf dieser Prämisse des Gegeneinanders aufbaut, geht von einem Konzept des Mangels aus. Wertvoll und wichtig bin ich nur da, wo ich besser bin als die meisten
anderen, denn nur dann wird mir am Ende als Sieger applaudiert, und die anderen Schüler wollen mich in ihrem Team haben. Dieses Konzept ist für die
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