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Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen

Titel: Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina L'Habitant
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bereitet Schule den jungen Menschen nicht mehr auf das Anforderungsprofil eines 21. Jahrhunderts vor. Oder kann mir jemand erklären, wie ein Heranwachsender später im Berufsleben ein glaubhaftes und vertrauensvolles Bild seiner selbst abgeben soll, wenn er sich nie kennenlernen und ausprobieren konnte und nur über auswendig gelerntes Wissen verfügt und über einen unreflektierten Verhaltenskodex wie Millionen anderer Schafe auch? Schule will vor allem vermitteln: Alle Kinder sind gleich!
    Schüler erfahren das tagtäglich: Sie werden beispielsweise alle »gleich gemacht«, indem Unterrichtsinhalte immer wieder so lange gepaukt werden, bis auch der Letzte sie verstanden hat. Und zwar indem alle wieder und wieder berieselt werden, statt selbst aktiv zu lernen.
    PRAXISBEISPIEL ______________________________________
    Eine Unterrichtsstunde im Fach Musik. Thema ist die Dur-Tonleiter. Im Raum steht eine selbst gebastelte Holzleiter mit acht Sprossen in variierender Stufenhöhe. Was macht man mit einer Leiter? Man steigt darauf noch oben und wieder hinunter. Auf einer echten Leiter ebenso wie in der Musik auf der Tonleiter. Eine Dur-Tonleiter besteht aus acht Tönen, sie beginnt und endet mit dem Grundton, die Stufen heißen immer: do, re, mi, fa, so, la, ti, do. An zwei Stellen sind die Sprossenabstände enger, deshalb liegen auch auf dem Instrument – etwa dem Piano – die Finger näher beieinander. Die Inhalte werden mit allen Sinnen im Klassenverband, allein, in Gruppenarbeit erarbeitet
und machen somit die graue Theorie erlebbar. Als Krönung wird die Tonleiter auf dem Streichinstrument gespielt, wird somit musikalisch greifbar und klanglich erfahrbar gemacht. Nach vier Doppelstunden fragt der Lehrer: Was ist eine Tonleiter? Es melden sich genau drei von 28 Schülern. Der Lehrer ist frustriert: Jetzt haben wir so intensiv gearbeitet, das kann doch nicht sein, dass es nur drei Schüler verstanden haben sollen? Das wird jetzt überprüft bei den Kindern, die sich nicht melden. Tatsächlich, keiner kann erklären, dass eine Tonleiter eine bestimmte Folge von acht Tönen ist. Die geschilderte Situation spielt sich in der sechsten Klasse eines Gymnasiums ab. Warum ist das so? Wie kann man bitte eine so einfache Tonleiter nicht verstehen, die aber die Grundlage ist für viele kleine Musikstücke, die die Schüler in der nächsten Zeit gemeinsam musizieren könnten. Was tun?
    Was in dieser Situation normalerweise passiert: Der ganze Krempel wird nochmal durchgekaut, in der Hoffnung, dass auch der Letzte es irgendwann versteht. Die Besten sind gedanklich schon völlig abgeschweift, die meisten anderen dämmern vor sich hin und selbst die, die es bisher nicht verstanden haben, lassen die Worte mit ausdruckslosem und starrem Blick an sich vorbeiziehen und hoffen einfach, dass die Stunde bald vorbei ist.
    Und dabei ist dieses Beispiel noch relativ praxisbezogen! Doch wirkliche Praxis ist es für den Schüler erst, wenn er sich auch selbstständig damit beschäftigen und einen Zugang zu dem Thema finden kann und die Leiter nicht nur anschaut. Solange er nicht emotional von einem Thema berührt wird, so lange kann er es nicht verstehen. Deshalb braucht der Schüler mehr Raum, um sich mit einem ihm unbekannten Thema zu beschäftigen. Es müssen mehr Freiräume für individuelles
Lernen geschaffen werden. Dabei tritt der Lehrer als Akteur zurück, sorgt aber für maßgeschneidertes Lernmaterial. Das Material muss auf die Lernbedürfnisse zugeschnitten sein. Der Lehrer muss Maßnahmen ergreifen, damit der Schüler selbst ins Denken und Handeln kommt.
    Wir müssen Schülern unterschiedliche Lernwege ermöglichen. Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass sich Schüler gegenseitig unterrichten, sich mit einem Thema selbst im laufenden Schulbetrieb individuell weiter auseinandersetzen können. Lernen ist immer eine persönliche Geschichte, der eine braucht mehr, der andere weniger Zeit dafür. Man wird in der Gemeinschaft einer Klasse nie zu einem allseits befriedigenden Ergebnis kommen, denn Lernen heißt in erster Linie Begreifen, das ist ein individueller Vorgang, jeder begreift anders. Um bei dem Beispiel mit der Tonleiter zu bleiben: Jedem Schüler müsste Raum zugestanden werden, um mit entsprechendem Material den tonalen Zusammenhang zu erkennen: Dafür könnten die Schüler kleine Lieder mit den Solmisationssilben beziffern, die
    Tonabstände in groß und klein einteilen, selbst kleine Melodien erfinden, die Tonleiter

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