Du machst Schule!: Warum das Bildungssystem versagt, was junge Menschen wirklich lernen müssen und wie wir ihnen dabei helfen
was bestimmt denn dieses Glück? Wie viel davon kann ich selbst beeinflussen, wie viel muss ich mich für die Karriere verbiegen, anpassen, unterordnen? Und für welchen Beruf bin ich dann gut vorbereitet? Für eine Tätigkeit als Konzernmanager, Rechtsanwalt, Bankdirektor, Arzt, Lehrer? Stehen mir tatsächlich mit einer guten Ausbildung alle Türen offen? Und was ist dem Schüler mit diesen Empfehlungen als Wert vermittelt worden? Die Erfüllung, das Ansehen, der gute Verdienst? Bereitet Schule eher auf eine Selbstständigkeit oder auf die Unselbstständigkeit, sprich Abhängigkeit, vor? Schauen wir uns einmal auf dem Arbeitsmarkt um und blättern in den Zeitungen, dann stürzen uns manche Schlagzeilen in einen Konflikt mit den althergebrachten schulischen Glaubenssätzen:
»Uni fertig – aber kein Job!«
»Im Sommer lebt mein Lehrer von der Arbeitslosenstütze!«
»Kein Job trotz guter Bildung!«
»Arzt – Traumberuf oder Alptraum?«
Lesen wir weiter, dann können folgende Zeilen wahrlich verschrecken: 50 Millionen Überstunden im Krankenhaus ohne Bezahlung, Angst vor Repressalien, ein gnadenloses Ausbeutungssystem auf dem Gesundheitssektor vermag die Träume einer ganzen Ärztegeneration zu zerstören. Fünf Jahre Studium der Elementarpädagogik und doch keine Anstellung im Kindergarten können in den Absolventen in der Tat unangenehme Sinnkrisen auslösen: Eine gute Ausbildung, vielmehr noch das angepriesene Studium, galten bisher immer noch als die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit. Und wie sieht es aus beim Traumberuf Lehrer? Da klingt es nicht viel rosiger: Lehrer bekommen häufig nur befristete BAT-Verträge, die meisten Musikschullehrer müssen sich bereits seit 30 Jahren mit Paralleljobs an mehreren Musikschulen auf Honorarbasis über Wasser halten, im Bereich der Weiterbildung wird ihnen günstigenfalls ein Stundenlohn von 10 bis 15 Euro bezahlt. In Zeiten der Wirtschaftskrise Ende 2009 berichteten Zeitungen, dass sich die Jobkrise gerade bei den Hochqualifizierten mit Abitur bemerkbar mache und die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Fach- und Hochschulreife binnen eines Jahres um 25 Prozent in die Höhe geschnellt sei. Die Erzählungen von Arbeitssuchenden klingen nicht ermutigender: Ein 27-jähriger Absolvent der Elektrotechnik klagt, dass er sein Studium mit der Note 1,8 abgeschlossen habe, gute Praktikumszeugnisse großer Unternehmen vorweisen kann, Unmengen an Bewerbungen geschrieben habe, einige Vorstellungsgespräche hatte und dennoch nur Absagen bekam. Ein anderer meint: »Selbst Leute, die ihre Prüfung mit einer Eins abschließen, bekommen Jobs nur über Zeitarbeitsfirmen! Nach meiner Ausbildung war ich auch über zwei Jahre arbeitslos. Jedes Mal scheiterte es an der ›fehlenden Berufserfahrung‹, meine Zeugnisse waren von Einsen und Zweien übersät, und einmal sagte mir doch tatsächlich ein Chef, dass ich zu teuer sei.«
Ein studentischer Mitarbeiter sagt: »Moderne Ausbeutung – davon können auch Doktoranden an den Universitäten ein Lied singen: Drei bis fünf Jahre lang für 750 bis 1000 Euro netto arbeiten – und das nach fünf Jahren Studium! Ich rede von den Naturwissenschaften. Manche bekommen gar nichts und dürfen froh sein, dass sie überhaupt an ihrer Doktorarbeit arbeiten dürfen.«
Und: Was gibt die Schule denn nun den jungen Menschen für ihr zukünftiges Berufsleben mit auf den Weg? Qualifikation und gutes Wissen allein scheinen den Berufsweg nicht ausreichend zu ebnen. Ein akademischer Titel verschafft nicht unbedingt mehr Ansehen, und satt macht er auch nicht zwangsläufig. Immer mehr Aufgabenfelder werden von den Unternehmen an externe Dienstleister ausgelagert. Und im Internetzeitalter kann darüber hinaus ein Teil der Arbeitsleistung auch gut zu Niedrigstpreisen in Indien eingekauft werden. Aus all diesen Gründen funktioniert die Empfehlung »Fleiß und gute Noten garantieren ein sorgenfreies Leben« einfach nicht mehr. Angesichts dieser Tatsache fallen dann alle gern über die Schule her, die unfähige Schüler ins Leben entlässt. Und tatsächlich fragt man sich: Warum muss ein Schüler Unterrichtsinhalte lernen, die er nie wieder benötigen wird? Jetzt wird jeder aufschreien: »Man kann nie wissen, wofür man es doch eines Tages noch brauchen wird ... Vielleicht hilft es dabei, dass man eines Tages eine gute Anstellung bekommt und ausgesorgt hat.«
Auch mir wurden diese Sätze eingetrichtert, und es fällt mir immer noch schwer, sie zu
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