Du machst, was ich will: Wie Sie bekommen, was Sie wollen - ein Ex-Lobbyist verrät die besten Tricks (German Edition)
Sie in diesem Studium gewinnen. Während meiner Zeit bei Gericht habe ich besonders eindrucksvoll gelernt, wie sich jede Entscheidung mit jedem Argument begründen lässt. Es kommt vor, dass ein Richter sein Urteil schon geschrieben hat und es sich dann doch anders überlegt. Dann braucht er das Urteil nicht neu zu schreiben. Das Gegenteil lässt sich mit denselben Argumenten begründen. Man muss nur ein paar Worte drum herum ändern: Aus »weil« wird »obwohl«, aus »entscheidend ist der Umstand, dass …« macht man »dem steht nicht entgegen, dass …«, in »Zwar-aber-Sätzen« dreht man einfach die Reihenfolge um.
Gäbe es die eine »richtige« Lösung, dann könnten wir uns ja auch das Trara um politische Entscheidungsprozesse sparen. Wir bräuchten kein Parlament, sondern nur eine Behörde, welche die eine auf der Hand liegende richtige Lösung in die Tat umsetzt. Solche Staaten gibt es – aber unsere Demokratie distanziert sich zu Recht von ihnen.
Und was wir uns täglich im Großen, auf der politischen Bühne, vorspielen, das reden wir uns auch in unserem ganz normalen Alltagsleben ein: dass es um »die Sache« ginge, dass wir nur »sachlich« über alles reden müssten, um die »richtige Lösung« zu finden – die Lösung, bei der auch wir das bekommen, was uns gerechterweise zusteht.
Damit sind wir beim Irrtum Nr. 2: dem Glauben an die Gerechtigkeit des Lebens. Wir erwarten Gerechtigkeit und sind zutiefst empört und gekränkt, wenn uns diese Gerechtigkeit nicht zuteilwird. Auch diese tragische Illusion ist eine kognitive Verzerrung, sie hat sogar einen eigenen wissenschaftlichen Namen: »Gerechte-Welt-Glaube«. Der Gerechte-Welt-Glaube resultiert direkt aus unserem Bedürfnis nach Kontrolle: Für unser Gehirn ist es die reinste Folter, wenn es den Eindruck hat, keine Kontrolle zu haben – über uns selbst, aber auch über unsere Umwelt. Mit dem Gerechte-Welt-Glauben versucht sich unser Gehirn die Kontrolle über das zu verschaffen, was um uns herum passiert. Denn wenn die Welt gerecht ist, dann können wir voraussagen, wie andere Menschen sich uns gegenüber verhalten werden, wenn wir selbst uns in bestimmter Weise verhalten.
Dabei wissen wir alle ganz genau: Das Leben ist furchtbar ungerecht. Das mag man bedauern, aber das ändert nichts daran, dass es so ist. Das Leben war schon ungerecht, als es dafür sorgte, dass Sie in einem Land geboren wurden (oder zumindest jetzt sind), in dem man sich überhaupt darum schert, Bücher zu schreiben, zu drucken und zu lesen – weil die Menschen genug zu essen haben, weil sie ein Dach über dem Kopf haben, weil sie lesen und schreiben lernen. Während andere sich fragen, womit sie bis zum Abend überleben sollen.
Aber sind wir nicht alle aufgerufen, das Leben wenigstens etwas gerechter zu machen? Natürlich sind wir das, und an vielen Stellen kann man es, relativ betrachtet, auch gerechter machen. Trotzdem gibt es »die Gerechtigkeit« nicht – »die Gerechtigkeit«, die sich alle politischen Parteien seit jeher auf die Fahnen schreiben und auf die wir auch in unserem ganz normalen Alltag vertrauen: am Arbeitsplatz, in der Schule, unter Nachbarn, bei der Hausarbeit, bei den Urlaubsplänen.
Wie sollte »die Gerechtigkeit« auch aussehen? Die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse der unterschiedlichen Menschen und anderen Lebewesen stehen nun einmal oft im Widerspruch zueinander. Wayne W. Dyer schreibt darüber treffend in seinem Buch Der wunde Punkt : »Wenn die Welt so eingerichtet wäre, dass alles immer gerecht zugehen müsste, dann könnte kein Lebewesen auch nur einen einzigen Tag überleben. Den Vögeln wäre es nicht mehr erlaubt, Würmer zu fressen, und jedermanns Eigeninteresse wäre Genüge zu tun.«
»Die Gerechtigkeit« gibt es daher auch noch nicht einmal vor Gericht: Verschiedene Gerichte und Instanzen entscheiden gleiche Fälle oft ganz unterschiedlich. Mehrere Richter am selben Gericht, in derselben Kammer oder im selben Senat beurteilen ganz anders, was »gerecht« ist – alle in »sachlicher« Auseinandersetzung mit demselben Sachverhalt und demselben Gesetz. Oder dasselbe Gericht ändert seine Meinung im Lauf der Zeit. Die obersten Bundesgerichte vermelden regelmäßig ganz offiziell eine »Änderung der Rechtsprechung«.
Unser fataler Glaube an »die Sache« und »die Gerechtigkeit« führt zu dem folgenschweren Missverständnis, mit dem wir dieses Kapitel begonnen haben: Wir glauben, dass wir nur die richtigen Informationen und
Weitere Kostenlose Bücher