Du Mich Auch
legte auf und sank erleichtert auf den nächstbesten Küchenstuhl. Das war der perfekte Lustkiller. Wenn Werner hörte, dass ihre Eltern kommen würden, nahm er Reißaus, so viel war sicher. Evis Vater verachtete Werner, sein neureiches Gehabe, sein dröhnendes Gelächter, seine notorische Angeberei. Und Werner hasste ihn dafür.
»Evilein?«, riss Werner sie aus ihren Gedanken. Er war ihr in die Küche gefolgt. Wie ein läufiger Hund, dachte Evi. Fehlt nur noch, dass er mit dem Schwanz wedelt.
»Also?«, fragte er. »Wie steht’s nun mit einem gepflegten Schäferstündchen?«
Eigentlich passte Werners unvermuteter Annäherungsversuch bestens in den Racheplan, überlegte Evi. Mach ihn verrückt, hatte Beatrice gesagt. Zeig ihm, dass er einen Diamanten wegschmeißen will. Und wenn du ihn so weit hast, dass er auf allen vieren vor dir kniet, nackt und mit einer Rose zwischen den Zähnen, dann gibst du ihm die Kante.
Jetzt hieß es, klug zu handeln. Hinhalten und langsam kommen lassen. Die Sache hinauszögern. Bis er vor Begehren implodierte. Evi stand auf und legte die Arme um ihren Mann. Sein Schweißgeruch war ein Frontalangriff auf ihr Geruchszentrum, seine sonnenverbrannte Haut glänzte wie zerlassene Butter auf einer Grilltomate. Egal. Sei eine Mata Hari, ermahnte sie sich. Kämpfe mit den Waffen einer Frau!
»Du, ich hätte irre Lust drauf«, gurrte sie. »Wir könnten auch mal – was Neues ausprobieren.«
»Was – Neues? An was hattest du denn gedacht?«, fragte er heiser.
Sie presste sich an ihn und stellte ungläubig fest, dass seine Erregung spürbare Formen angenommen hatte. Da war ja noch Leben in den Trümmern seines Körpers!
»An was ganz, gaaanz – Besonderes«, flüsterte sie.
Werner war nicht gerade ein phantasievoller Liebhaber. Am Anfang hatte er sich noch Mühe gegeben. Nun ja, jedenfalls im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten. Doch schon nach einem Jahr Ehe hatte sich sein Vorspiel auf das Ausknipsen der Nachttischlampe beschränkt. Das Nachspiel bestand seitdem aus seinem zufriedenen Grunzen, das übergangslos in lautstarkes Schnarchen mündete. Evi erschauerte, als ihr die Petersburger Schlittenfahrt einfiel. Werner war völlig ahnungslos. Und dabei würde sie es belassen.
»Lass dich überraschen«, raunte sie. »Leider müssen wir das ein klitzekleines bisschen verschieben. Meine Eltern kommen in einer halben Stunde.«
»Deine Eltern?« Er kniff enttäuscht die Augen zusammen. »Wer ist denn auf die blöde Idee gekommen?«
Evi gab ihm einen Kuss auf die Wange und hatte sofort den Wunsch, ausgiebig zu duschen.
»Auch das haben wir früher öfter gemacht«, verteidigte sie sich. »Weißt du noch? Meine Eltern sind jeden Sonntagabend zum Essen bei uns gewesen. Ich dachte, man könnte diese schöne Tradition wieder aufleben lassen. Deshalb habe ich sie eingeladen.«
»Eingeladen? Bist du komplett übergeschnappt?« Unbändige Wut verzerrte Werners Gesicht.
Und Evi? Evi genoss es. Normalerweise wäre sie jetzt im Boden versunken. Doch insgeheim triumphierte sie. Sie hatte Macht über ihn. Sie konnte ihn manipulieren. Am liebsten wäre sie in der Küche herumgetanzt, so befreiend war dieseEntdeckung. Sie spielte ein Spiel, das wunderbare, perfide Spiel der Rache.
Während eine Schimpfkanonade über sie erging, holte sie seelenruhig einen Topf aus dem Schrank, füllte ihn mit Wasser und stellte ihn auf den Herd. Sie hörte gar nicht hin. Sie kannte sein Repertoire an Kraftausdrücken ja zur Genüge. Die perlten an ihr ab wie Wasser auf frisch eingecremter Haut. Schweigend griff sie zu den Zwiebeln und machte sich daran, sie zu schälen.
»… jedenfalls werde ich nicht zusehen, wie dein eingebildeter Herr Vater an meinem Tisch sitzt und seine verdammten Weisheiten ablässt!«, brüllte Werner.
»Immerhin verdanken wir ihm unseren Wohlstand!«, rutschte es ihr heraus.
Das war ein Fehler, ein furchtbarer Fehler. Evi wusste es, bevor er auch nur ein Wort darauf erwidern konnte. Er durfte nicht mal ahnen, dass sie rebellische Gedanken hegte. Sie musste ihn doch in Sicherheit wiegen!
»Was hast du da gerade gesagt?«, fragte er in drohendem Ton.
War jetzt alles aus? Würde er seine Sachen packen? Und sie mittellos zurücklassen, bevor sie irgendetwas dagegen unternehmen konnte?
Ein gütiges Schicksal kam ihr zu Hilfe. Ihre Augen tränten heftig vom Zwiebelschneiden, und es war das erste Mal, dass sie sich darüber aus tiefstem Herzen freute.
»Es tut mir so leid«,
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