Du Mich Auch
schluchzte sie los, während sie sich den Zwiebelsaft in die Augen rieb, um den Effekt zu steigern. Es brannte wie Hölle. »Ich bin so undankbar. Du hast die ganzen Jahre für uns geschuftet, das weiß ich doch.«
Tränenüberströmt drehte sie sich zu ihrem Mann um.
»Verzeih mir«, schniefte sie. »Es war so – dumm von mir!« Sie tätschelte seine Schulter. »Ich mache alles wieder gut, ja? Und mein Vater ist einfach nur ein bisschen zu streng. Es zerreißt mir das Herz, wenn ihr streitet. Er mag dich, ehrlich. Er kann es nur nicht richtig zeigen.«
Das war schon die zweite dreiste Lüge an diesem Abend. In Kombination mit dem Tränenausbruch verfehlte sie nicht ihre Wirkung.
»Nun hör schon auf mit der Heulerei«, sagte Werner begütigend. »Aber es bleibt dabei – ich verzieh mich. Warte nicht auf mich, kann später werden.«
»Es tut mir so – so l-leid«, wiederholte Evi stammelnd, während sie sich zu ihren ungeahnten schauspielerischen Fähigkeiten beglückwünschte. War echt oscarverdächtig, ihre Performance. Schade, dass ihre Freundinnen sie nicht sehen konnten.
»Du bist mir auch wirklich nicht böse?«, fragte sie schluchzend. »Das würde ich nicht ertragen. Du bist doch alles, was ich habe. Du bist der Vater unserer Kinder. Du bist … einfach mein Schnuffelbär!«
Weinend klammerte sie sich an ihn, als sei er der rettende Anker in einem Meer der Verzweiflung.
»Dass ihr Weiber immer gleich übertreiben müsst«, schnaubte Werner unangenehm berührt. Nun war er es, der Schuldgefühle hatte, stellte Evi befriedigt fest.
»Ich schwöre, dass ich meine Eltern nie wieder gegen deinen Willen einladen werde«, wimmerte sie. »Ich will nur, dass du glücklich bist. Ich tue alles für dich. Alles, was du willst!«
Verdutzt sah er sie an. So viel Unterordnung war er nun auch wieder nicht gewohnt. Doch Evis bedingungslose Kapitulation stimmte ihn milde.
»Wir sollten mal wieder was zusammen unternehmen«, lenkte er ein. »Nur wir beide. Und dann erzählst du mir, was du Neues ausprobieren möchtest, ja, Evilein, Kleines?«
Evi atmete innerlich auf. Wenn Werner sie »Kleines« nannte, bedeutete das Entwarnung.
»Es wird toll, das verspreche ich dir«, murmelte sie.
Dann verschwand Werner endlich. Evi riss ein Stück Küchenkrepp von der Rolle und wischte sich damit die brennenden Augen. Sie hatte gewonnen. Von jetzt an würde sie die Oberhand behalten, während der gute Werner sich der Illusion hingab, er hätte ein devotes kleines Haustier namens »Evilein, Kleines«.
Ihre Laune stieg von Sekunde zu Sekunde. Sie summte leise vor sich hin, während sie die Zwiebeln anbriet und einen Beutel mit Gulasch aus der Tiefkühltruhe nahm. Sie hatte genug vom emotionalen Gefrierbrand ihrer Ehe. Vom Küchenfenster aus sah sie, wie der Porsche röhrend wegfuhr.
Eines Tages werde ich die Türschlösser austauschen, nahm sie sich vor. Und seinen Porsche werde ich ihm auch wegnehmen. Die Zeiten der Duldungsstarre sind vorbei.
»Du wirst alles verlieren«, flüsterte sie. »Dein Geld, dein Haus, deine Frau, deine Kinder, dein Auto. Und zwar in dieser Reihenfolge.«
Es war kaum zu fassen, wie stark sie sich fühlte. Das hatte sie dem Trio fatal zu verdanken. Zu gern hätte sie jetzt Beatrice und Katharina angerufen. Doch die Zeit drängte. Sie hatte nur noch eine Viertelstunde, bis ihre Eltern eintreffen würden. In Windeseile schälte sie Kartoffeln und ließ sie in den Topf gleiten. Ein sanftes Ziehen an ihrer intimsten Stelle erinnerte sie daran, dass ein neues, aufregendes Leben auf sie wartete.
»Kind, du siehst phantastisch aus!«, rief Evis Mutter, als sie die kleine Freitreppe zur Villa hochstieg. »Hast du dir endlich mal etwas gegönnt?«
»Könnte man so sagen«, erwiderte Evi und ließ die Umarmung ihrer Mutter über sich ergehen.
Seit Evis Heirat war das Verhältnis zu ihren Eltern ungefähr so entspannt wie ein Tormann vorm Elfmeter. Das Ehepaar Diepholt konnte seiner Tochter einfach nicht verzeihen, dass sie sich an einen »Nouveau Riche verschleudert« hatte, wie sie es mit feinem Snobismus formulierten.
Evis Vater schwenkte eine Champagnerflasche. »Die Blumengeschäfte haben sonntags bekanntlich geschlossen«, erklärte er. »Und was verschafft uns die ungewohnte Ehre dieser Einladung?«
»Ich will doch hoffen, dass dein Missgriff nicht anwesend ist?«, erkundigte sich ihre Mutter.
»Keine Sorge, heute ist hier wernerfreie Zone«, antwortete Evi. »Schnuffelbär hat
Weitere Kostenlose Bücher