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Du Mich Auch

Du Mich Auch

Titel: Du Mich Auch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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Ausgang.«
    »Oh, bitte verschone mich mit diesen albernen Kosenamen. Schnuffelbär, das ist einfach nur peinlich!«
    Ihre Mutter war das, was man eine Dame nannte. Ein teures, beigefarbenes Designerkostüm umschloss ihre schlanke Gestalt, üppige Perlenketten klimperten an ihrem Hals. Das Haar schimmerte bläulich und war in abgezirkelten Wellen frisiert. Auch Evis Vater war überirdisch elegant gekleidet. Trotz der Wärme des Sommerabends trug er einen dunkelblauen Dreiteiler und eine Fliege zum blütenweißen Hemd.
    Bei Evi hatte es gerade mal zu einem Zufallsgriff in den Schrank gereicht, der ihr ein rot-weiß gestreiftes Sommerkleid beschert hatte. Es besaß den Charme eines Zirkuszelts und war so eng, dass sie mit dem Reißverschluss auf halbemWege steckengeblieben war. Aber was war nicht zu eng in ihrem Kleiderschrank?
    »Kommt doch erst mal rein«, forderte sie ihre Eltern auf.
    Herr und Frau Diepholt hatten das Haus schon mehrere Monate nicht mehr betreten. Neugierig sahen sie sich um.
    »Du hast endlich die Wände streichen lassen!«, rief Lucrezia Diepholt aus. »Wie überaus entzückend, dieses Hellblau! Und das Gemälde da hinten – ist das später Holbein oder früher Rembrandt?«
    »Mittlerer No-Name«, erwiderte Evi matt. »Hat Werner billig geschossen, auf einer Auktion.«
    Wie kam ihre Mutter nur auf Rembrandt? Solche Kostbarkeiten kamen bei Werner nicht in Frage. Er war der klassische Schnäppchenjäger. Stumm gingen sie zu dem Bild, das sich bei näherem Hinsehen als ziemlich scheußliche Männerphantasie in Öl entpuppte. Es zeigte eine nackte, korpulente Frau, die auf einem Bett aus Rosen herumlümmelte.
    »Etwas zu gewagt für einen Haushalt, in dem Kinder aufwachsen«, sagte Lucrezia Diepholt nach einer Weile.
    Evi zuckte die Schultern. »Ich würde sagen: Etwas zu langweilig für Jungs, die sich an jeder Ecke Pornos aufs Handy laden können.«
    »Evi!«, tadelte ihre Mutter.
    Lucrezia Diepholt war äußerst prüde. Wenn sie erfahren hätte, dass Evi die halbe Nacht in den Armen eines käuflichen Lovers verbracht hatte, sie wäre auf der Stelle tot umgefallen.
    Auch Bernhard Diepholt begutachtete nun das Bild. »Und ich dachte schon, es wäre eine Porträt von Evi«, sagte er. »Hast ziemlich zugelegt, meine Liebe. Wenn du nicht aufpasst, wird man dich demnächst mit deiner Putzfrau verwechseln.«
    »Kummerspeck«, entgegnete Lucrezia Diepholt. »Und wie soll sie denn Sinn für Stil entwickeln, wenn sie mit dem Inbegriff des schlechten Geschmacks verheiratet ist? Wo sind überhaupt die Kinder?«
    »Bei ihren Freunden«, antwortete Evi.
    »Ich sag immer: Eine anständige Frau hat kein Übergewicht«, grummelte Bernhard Diepholt.
    Er strich sich ungehalten durch das eisgraue Haar. Ohne weitere Aufforderung verschwand er im Esszimmer. Evi und ihre Mutter schlugen den Weg zur Küche ein. Das Gulasch simmerte vor sich hin, die Kartoffeln waren so gut wie gar.
    »Vater ist ein wenig undiplomatisch«, entschuldigte sich Lucrezia Diepholt. »Aber abnehmen könntest du wirklich, mein Engel.«
    »Ich nehme seit zwanzig Jahren ab«, sagte Evi. »Und seit zwanzig Jahren nehme ich wieder zu.«
    Lucrezia Diepholt war alles andere als amüsiert. Sie betrachtete die Fotos von Evis Söhnen, die an den Kühlschrank gepinnt waren.
    »Zwei Schwangerschaften sind keine Ausrede für mangelnde Selbstdisziplin«, befand sie. »Du solltest einen Diäturlaub buchen. Mit professioneller Ernährungsberatung und gezieltem Bewegungstraining. Vater und ich haben ein entzückendes Hotel entdeckt, das wäre auch was für dich. Mit Wellnesszone, Personal Trainer und Sternekoch. Wir haben dort das Wochenende verbracht.«
    »Ach ja?« Evi goss konzentriert die Kartoffeln ab.
    »Es heißt Schlosshotel Seeblick«, ergänzte ihre Mutter. »In Kahnsdorf.«
    Krachend fiel der Topfdeckel in die Spüle. Die Kartoffeln kullerten hinterher.
    »Ich verstehe nicht, warum du keine Zugehfrau hast, die für dich kocht«, sagte Lucrezia Diepholt. »Steht dir gar nicht, dieses Hausfrauengetue. Das Hotel ist übrigens reizend und liegt ganz verwunschen an einem kleinen See. Wir hatten dort gestern einen wunderbaren Abend.«
    Evi wurde kalt. Dann wurde ihr heiß. Mit zitternden Fingern klaubte sie die Kartoffeln aus der Spüle.
    Lucrezia Diepholt rollte mit den Augen. »Stell dir vor, es gab einen echten Skandal. Wir kamen um Mitternacht aus der Bar, wo wir uns noch einen Digestif genehmigt hatten. An der Rezeption stand ein Individuum, das

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