Du Mich Auch
nahm Blumencron den Pappbecher in Augenschein, als handele es sich um einen üppigen Präsentkorb. »Dann kann ich wohl nicht ablehnen.«
»Können Sie nicht«, bekräftigte Evi.
Seine Hand berührte leicht Katharinas Finger, als er ihr den Becher abnahm. Mit der gespannten Miene eines Billardspielers, der beobachtet, wie sich die Kugel in Richtung Loch bewegt, sah Evi ihm zu. Sie hielt es kaum noch aus. Ihre Stirn fühlte sich fiebrig an.
»Nicht nippen, trinken!«, forderte sie ihn auf.
Er nahm einen kräftigen Schluck. »Gewöhnungsbedürftig. Ist das mit irgendeinem Aroma?«
»Mandelsirup«, lächelte Katharina. »Was Süßes für den Süßen.«
Das schien ihm zu gefallen. Während er einen zweiten Schluck trank, zeigte er zur rückwärtigen Wand. »Kommt mit zu meinem Schreibtisch. Dann könnt ihr mal sehen, was für ein irres Pensum jeden Morgen auf mich wartet. Die Leute schmeißen mich mit Post zu. Jeder denkt wohl, ein Lokalredakteur ist so was wie eine Kummerkastentante.«
Evi und Katharina entging nicht, dass sich alle Köpfe nach ihnen umdrehten, während sie Ralf Blumencron durch die Reihe der Schreibtische folgten. Als sie an seinem Tisch ankamen, stapelte der Botenjunge gerade Briefe und Pakete darauf. Der Journalist nahm ein paar Briefe in die Hand und warf flüchtige Blicke auf die Absender.
»Man erkennt schon an der Schrift, ob das ein Gestörter ist oder was Seriöses«, erklärte er. »Aber am spannendsten sind die ohne Absender. Hier!« Er hielt Katharinas Brief hoch. »Der sieht vielversprechend aus. Gutes Papier, akkurate Blockschrift, bestimmt eine anonyme Info. Wir leben von so was.«
Achtlos stellte er den Becher ab. Den Brief behielt er in der Hand.
Evi entschied sich für hemmungslose Aufdringlichkeit. »Schmeckt Ihnen der Kaffee etwa nicht? Soll ich Ihnen einen neuen holen?«
»Sie sind ja wie eine Mutter zu mir«, wunderte sich Ralf Blumencron. »Alles in Ordnung. Schmeckt wunderbar.«
Demonstrativ setzte er den Becher an und trank ihn bis auf den letzten Tropfen leer. Na, dann prost, dachte Evi erleichtert. Hoffentlich haben die genug Toilettenpapier in diesem versifften Schuppen.
Blumencron griff wieder zu dem Brief. »Sollen wir mal nachsehen, was drin ist?«
Katharina atmete schwer. »Das Paket da vorn finde ich viel geheimnisvoller. Vielleicht schickt dir, äh, Ihnen eine Verehrerin Pralinen.«
»Ist auch schon vorgekommen«, lachte Blumencron. Dann fuhr er sich mit dem Daumen über die Stirn. »Entschuldigt ihr mich für einen Moment?«
»Natürlich.«
Mit gehetztem Blick eilte er davon.
Gerade wollte sich Katharina den Brief schnappen, als ein eleganter Herr in einem dunkelblauen Dreireiher vor ihnen auftauchte. »Frau Staatssekretärin! Welch eine Freude!«
Schnell zog Katharina ihre Hand wieder zurück. »Plan A fällt aus, also Plan B«, raunte sie Evi zu. »Der komplette Zirkus.«
»Darf ich mich vorstellen? Günter Fehling, meines Zeichens Chefredakteur dieser Zeitung. Ich muss gestehen, dass wir uns geehrt fühlen von Ihrem spontanen Besuch. Tja, das nennt man eben Volksnähe.«
»Die konstruktive Kooperation mit der Presse lag mir schon immer am Herzen«, erwiderte Katharina. »Sie kennen Eva-Maria Wuttke, die neue Frauenbeauftragte?«
Der Chefredakteur runzelte die Stirn. »Wuttke, Wuttke … haben Sie was mit Werner Wuttke zu tun?«
»Mein Mann«, antwortete Evi. »Wissen Sie, die Kinder sind bald aus dem Haus, da wollte ich einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Es gibt viel zu tun für das Wohl der Frauen.«
Auch wenn ich da meine eigenen Methoden habe, fügte sie innerlich hinzu. Und zwar sehr durchschlagende Methoden.Evi hatte mit einem neuartigen Mix aus Abführmittel und K.o.-Tropfen experimentiert.
Günter Fehling nestelte an seinem Einstecktuch. »Wir sollten dann schon mal in den Konferenzraum gehen. Hier entlang, wenn ich bitten darf.« Er deutete auf eine offene Tür, hinter der ein großer ovaler Tisch zu sehen war. »Wo ist eigentlich Blumencron?«
»Für kleine Jungs?«, witzelte Evi.
»Bestimmt kommt er gleich wieder«, sagte Katharina.
Aber Ralf Blumencron blieb verschwunden. Der Konferenzraum füllte sich zusehends, er jedoch ließ sich nicht blicken.
Der Chefredakteur zog eine ungehaltene Grimasse. »Kann mal jemand nach unserem jungen Kollegen fahnden?«
Eine schlanke junge Frau in Jeans stand auf. »Ich suche Ralf.«
»Unverzeihlich«, zischte Fehling einem glatzköpfigen Mann zu, der neben ihm saß. Dann machte er
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