Du Mich Auch
schwarzes Kostüm.
»Als ob sie zu einer Beerdigung gehen«, amüsierte sich Beatrice. »Die zwei schwarzen Witwen.«
Robert hatte nur Augen für Evi. »Einen schönen Menschen entstellt nichts«, sagte er lapidar. »Katharina ist sowieso immer perfekt. Du könntest in deiner Krankenschwesteruniform auf die Welt gekommen sein. Und Evi könnte auch einen Kartoffelsack tragen, sie wäre immer noch einzigartig.«
»Einzigartig ist wohl das richtige Wort«, lächelte Beatrice.
Gespannt sahen sie zum Eingang. Robert unterdrückte ein Gähnen. Seit sieben Uhr in der Früh warteten sie schon darauf, dass die Post ausgeliefert wurde. Soeben hatte ein Briefträger mit einem Rollcontainer das Haus betreten. Es ging los.
Der Pförtner war nicht der Schnellste. Umständlich blätterte er in einer Besucherliste herum. Er war ein älterer Herr mit einem weißen Vollbart und musste seine Brille aufsetzen, um die Namen zu entziffern.
»Wie war das? Staatssekretärin Dr. Severin und Eva-Maria Wuttke?«, murmelte er vor sich hin. »Ah, da haben wir’s. Dürfte ich mal Ihre Persos sehen?«
»Die – was?«
»Die Personalausweise.«
Katharina stellte einen Pappbecher mit Latte macchiato auf dem Tresen der Pförtnerloge ab. »Wenn Rübezahl noch länger braucht, ist der Kaffee kalt, bevor wir oben sind«, raunte sie Evi zu, während sie ihren Ausweis aus der Handtasche zog.
Der Pförtner kniff die Augen zusammen, um die Passfotos mit den Gesichtern der beiden Frauen zu vergleichen. »Könnte hinkommen«, sagte er. »Dann immer nur rein in die gute Stube.«
Aufmerksam betrachtete Evi den Poststapel, den der Briefträger neben dem alten Mann auf einen Tisch türmte. »Ist was für Ralf Blumencron dabei? Wir wollen nämlich zu ihm. Da könnten wir seine Post praktischerweise gleich mitnehmen.«
»Nee, nee«, der Pförtner drohte ihnen schelmisch mit dem Finger. »Schon mal was von Briefgeheimnis gehört?«
»Sicher«, erwiderte Katharina eisig. »Dann gehen wir mal.«
Ralf Blumencrons Arbeitsplatz lag im dritten Stock in einem Großraumbüro. Es war erfüllt mit dem Stimmengewirr telefonierender Redakteure und dem Geklacker von Computertastaturen. Die Schreibtische waren beladen mit Papieren, angebissenen Brötchen und Wasserflaschen. Ein beißender Geruch nach abgestandenem Kaffee und überquellenden Aschenbechern lag in der Luft. An den verblichenen Wänden hingen wellige Plakate.
»Wundert mich überhaupt nicht, dass der hier rauswill«, wisperte Evi. »Wie kann man in so einem Abfallhaufen arbeiten? Hier müsste mal gründlich saubergemacht werden.«
Aus einer hinteren Ecke kam ihnen Ralf Blumencron entgegen gelaufen. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift »Sorry, I’m sexy«, das seinen muskulösen Körper zur Geltung brachte. Er war das krasse Gegenteil von Horst Hoffner. Als hätte das Schicksal ihn für Katharina gebacken, dachte Evi. Die ideale Lockerungsübung für unsere verspannte Freundin.
Einladend breitete er die Arme aus. »Hi! Der Chefredakteur ist begeistert von eurem Redaktionsbesuch! Eine Blattkritik von der beliebtesten Spitzenpolitikerin der Stadt! Seit einer Stunde redet er von nichts anderem. Wollt ihr erst mal einen Kaffee? Auf dem Flur gibt es einen Automaten.«
»Ich habe dir was Besseres mitgebracht«, sagte Katharina. »Hier, frisch aus dem Coffeeshop!«
»Wie nett!« Er senkte die Stimme. »Wir sollten uns besser siezen. In zwanzig Minuten beginnt die Konferenz. Wollt ihr euch ein bisschen umsehen?«
Mit ausgestrecktem Arm hielt Katharina ihm den Becher hin. »Erst mal der Muntermacher!«
Doch er hob abwehrend die Hände. »Morgens nur Tee, tut mir leid. Sonst fährt mein Magen Achterbahn.«
Evi holte tief Luft. Eigentlich toll, dachte sie, zwei Teetrinker, das passt. Leider war es in dieser hochbrisanten Situation völlig unpassend.
»Sie sind doch ein Frauenflüsterer, oder?«, gurrte sie. »So erzählt man sich jedenfalls.«
Blumencron strich sich durch seine Surfermähne und grinste verstohlen Katharina an. »Hm, könnte hinkommen.«
»Dann sollten Sie das Geschenk einer Dame nicht ausschlagen, selbst, wenn es sich um einen einfachen Latte macchiato handelt.«
Ein dicklicher junger Mann zwängte sich an ihnen vorbei. Er trug eine Plastikwanne vor sich her, die bis obenhin mit Briefen und Paketen gefüllt war. Missmutig begann er, die Post auf die Schreibtische zu verteilen.
Uns läuft die Zeit davon, dachte Evi panisch. Nun mach schon!
»Also, wenn das so ist …« Respektvoll
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