Du Mich Auch
eine entschuldigende Geste in Katharinas Richtung. »Wir können ja schon mal anfangen. Wie gefiel Ihnen die Schlagzeile der heutigen Ausgabe? Die hatte Drive, oder?« Er lächelte selbstgefällig. »Ich sage immer: Eine Zeitung ohne Schlagzeile ist wie ein Straßenstrich ohne Bordsteinschwalben!«
»Zu Hilfe!«, kreischte das junge Mädchen, das in größter Aufregung zurückgelaufen kam. »Wir brauchen einen Arzt! Einen Krankenwagen! Ralf liegt bewusstlos vor der Herrentoilette!«
Evi hatte ihr Handy schon kurz vorher herausgeholt. »Ich mache das! Ich habe den Notruf einprogrammiert!« Flugs wählte sie Roberts Nummer.
Alle redeten aufgeregt durcheinander. Einige Kollegenrannten raus, um nach Ralf Blumencron zu sehen. Besorgt sah Katharina auf ihre Uhr. Jetzt kam es darauf an, wie schnell Beatrice und Robert den Pförtner knackten. Oder scheiterte Plan B an Rübezahl?
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Eine Sekunde später sprinteten Robert und Beatrice in den Konferenzraum.
»Wo ist der Notfall?«, rief Robert, der in seinem weißen Kittel mal wieder eine Augenweide war. Hinter ihm erschien Beatrice in ihrer hellblauen Schwesternuniform. Sie trug einen Arztkoffer aus Aluminium.
Alle folgten ihnen, als sie sich den Weg zur Toilette zeigen ließen. Ralf Blumencron lag zusammengekrümmt auf der fleckigen Auslegeware und gab kein Lebenszeichen von sich. Robert zog seine geschlossenen Lider hoch und leuchtete in die Pupillen. Ein unangenehmer Fäkaliengeruch ging von dem leblosen Körper aus. Erwartungsvoll starrten alle auf den Arzt, der neben dem ohnmächtigen Kollegen kniete.
»Sofort raus hier!«, brüllte Robert. »Durchfall mit Kreislaufkollaps, das sieht nach der neuen Virusepidemie aus. Sie müssen auf der Stelle einen Arzt aufsuchen und sich untersuchen lassen! Alle!«
Vollkommen verdattert stand der Chefredakteur da. »Die neue Virusepidemie? Warum wussten wir nichts davon? Das hätten wir doch als Erste erfahren!«
Robert machte ein finsteres Gesicht. »Das hier ist eine Zeitung, richtig? Da haben Sie bestimmt reichlich Erfahrungen mit der Politik gesammelt. Die Herren da oben schlagen doch immer erst Alarm, wenn es Tote gibt. Soviel zur Informationspolitik. Hier ist vermutlich schon alles verseucht. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf …«
Der Rest seiner kleinen Ansprache ging im Getümmelunter. Alle stoben in Panik davon. Dann war es auf einmal still.
»Sie sind weg«, sagte Katharina. »Jetzt kann ich mir endlich den Brief holen. Und Ralf wird auch wirklich nichts passieren?«
»Der Krankenwagen ist schon unterwegs«, wurde sie von Robert beruhigt. »Dein Ralf bekommt ein Einzelzimmer. Und wenn er in geschätzten zwei Stunden wieder aufwacht, freut er sich bestimmt, wenn eine ihm nahestehende Person anwesend ist.«
»Dann fahre ich am besten gleich im Krankenwagen mit«, seufzte Katharina.
»No way«, fuhr Beatrice dazwischen. »Wir haben noch was Dringendes zu erledigen, Honey.«
»Was könnte denn wichtiger sein als Ralf?«
»Die finale Dröhnung für deine Einschlafhilfe«, sagte Beatrice. »Jetzt knöpfen wir uns den Herrn Familienminister vor.«
Ein Taxi brachte sie zum Familienministerium. Im Eiltempo marschierten sie auf das Gebäude zu. Beatrice hatte ihren Schwesternkittel einfach unterwegs in einen Papierkorb geworfen. Darunter war ein giftgrünes Seidenkleid mit passendem Jackett zum Vorschein gekommen.
Der Security Check war ein Kinderspiel dank der Autorität, die Katharina hier genoss. Schon wurden Evi und Beatrice Besucherausweise ans Revers geknipst. Sie passierten eine Sicherheitsschleuse, dann waren sie drin. Im Zentrum der Macht.
Das Ministerium war riesig. Evi spürte fast so etwas wie Ehrfurcht, als sie mit Beatrice und Katharina die langen Flureentlangwanderte. Frauen und Männer mit ernsten Gesichtern kamen ihnen entgegen. Die Welt der Politik schien ziemlich humorfrei zu sein.
»Mir ist schon ganz schlecht«, jammerte Katharina.
»Bestimmt das gefährliche Virus«, gluckste Beatrice. »Keine Sorge, wir machen es kurz. Thrill and kill. Jetzt wird Blitzschach gespielt. Der König wackelt schon, und gleich ist die Dame am Zug.«
Nachdem sie endlose Flure hinter sich gebracht hatten, blieb Katharina vor einer Tür stehen. »Hier ist es.« Sie, die nie schwitzte, hatte Schweißtröpfchen auf der Stirn.
»Wird schon«, sprach Evi ihr Mut zu. »Du kriegst das hin. Und wir sind ja auch noch da.«
»Denk an seine Schuftigkeiten. Denk daran,
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