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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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aufmerksam.
    Annie funkelte mich wütend an.
    »Willst du, dass Dick denkt, wir wollen ihn nicht hierhaben?«
    »Bringt das Miststück um und versenkt es im See!«, sagte Morgan, kehrte zu seinem Stuhl zurück und ließ sich darauf niedersinken.
    »Hammarby und AIK, super!«, grunzte er. »Besser kann es nicht mehr werden. Welcher Rang?«
    Dick sagte etwas von der westlichen Galerie.
    »Ich scheiß drauf«, sagte ich und ging rauf zu van Gogh.

    17

    Am ersten Schultag brauchte ich eine Weile, ehe ich meine Klasse gefunden hatte. In der Halle, wo die Schränke der Schüler untergebracht sind, herrschte großes Gedränge. Es war ein blödes Gefühl, sich unter all den Leuten, die sich kannten, zu bewegen. Ich kannte niemanden und fragte ein Mädchen nach dem Raum 22. Das Mädchen wusste auch nicht, wo der war. Sie und ihre Freundin begriffen, dass ich neu war, und glotzten mich wie ein komisches Tier an, das irgendwo entflohen war. Dann kehrten sie mir den Rücken zu.
    Ich fragte ein anderes Mädchen. Als es den Mund öffnete, entblößte es eine Zahnspange, so groß wie ein Bratspieß. Das Mädchen sagte gar nichts, zeigte nur ihr Schrecken einflößendes Maul und wies in eine Richtung. Schließlich entdeckte ich einen Lehrer, den ich fragen konnte.
    Unser Klassenzimmer liegt auf der Sonnenseite, und obwohl mehrere Fenster offen standen, war es schon sehr schwül. Es war voller Schüler, die sich natürlich auch alle kannten. Sie saßen auf den Tischen oder standen in den Gängen, und ich konnte nicht erkennen, wo es einen freien Platz gab. Also blieb ich an der Tür stehen. Nach einer Weile drängte sich die Lehrerin an mir vorbei, aber niemand beachtete sie.
    »Hallo!«, rief sie und stellte sich neben den Katheder. »Hallo!«
    Sie war etwa in Mamas Alter und trug einen hellgrauen Rock mit breiten roten Streifen.
    Einige drehten sich um, einige setzten sich in Bewegung auf der Suche nach ihren Plätzen, einige zankten sich, wo sie sitzen sollten, und in der Ecke redeten drei Jungen miteinander. Sie fielen sich ständig ins Wort und kümmerten sich nicht um die Frau am Katheder.
    »Hallo!«, rief sie. »Lasst uns anfangen.«
    Einige weitere meiner neuen Klassenkameraden setzten sich, aber die Jungs in der Ecke lachten nur und hauten einander auf den Rücken und sorgten dafür, dass alle mitkriegten, was für einen Wahnsinnsspaß sie hatten.
    »Hallo!«, rief die Frau am Katheder wieder. »Wir fangen an! Tubal und Marc, geht auf eure Plätze!«
    Der größere Junge in der Ecke schien Tubal zu sein und einer von ihnen Marc. Sie gingen zu ihren Plätzen.
    Der Dritte blieb stehen, ein kleiner, stämmiger Typ mit kurzen Armen, der sehr kräftig wirkte.
    »Ich hab keinen Platz! Die haben meinen Stuhl geklaut!«
    Er trug ein weißes T-Shirt, das ihm zu klein war und auf dem mit grünen Buchstaben stand »Iss schwedische Äpfel«.
    »Ludde!«, rief die Frau am Katheder. »Setz dich!«
    Der Junge, der jetzt allein in der Ecke stand und vermutlich Ludde hieß, jammerte weiter.
    »Ich hab keinen Platz! Nadja sitzt auf meinem Stuhl!«
    »Das ist mein Platz«, antwortete ein Mädchen mit einem wilden schwarz gelockten Haarschopf und runden Brillengläsern. Die Gläser waren nicht größer als eine Geldmünze. »Du hast kein Abo auf diesen Platz!«
    Da ging Ludde auf einen kleinen schmächtigen Jungen zu, der allein am Fenster saß. Er riss ihm den Stuhl unter dem Hintern weg, sodass der Junge aufstehen musste, um nicht auf dem Fußboden zu landen.
    »Hau ab!«, sagte Ludde zu dem Kleinen. Dann drehte er sich zu der Frau am Katheder um. »Ninne hat keinen Stuhl.«
    Danach ließ Ludde sich auf den eroberten Stuhl fallen. Der Junge, der Ninne hieß, presste sich mit ängstlichem Blick gegen die Wand.
    In dem Augenblick begann es zu heulen, laut und ausdauernd. Die Frau am Katheder erstarrte, verdrehte die Augen, reckte den Hals, breitete die Arme aus, zeigte zur Tür und rief:
    »Raus, jetzt gehen wir hinaus!«
    »Mann, ist das anstrengend!«, maulte Ludde.
    Tubal schlug ihm im Vorbeilaufen auf den Rücken.
    »Raus! Raus! Raus!«, rief er, und als er an dem Jungen vorbeikam, dem Ludde den Stuhl weggenommen hatte, versetzte er dem Kleinen mit flacher Hand einen heftigen Schlag in den Nacken.
    »Raus!«, rief Tubal und verschwand durch die Klassenzimmertür.
    »Raus! Raus! Raus!«, rief die Frau am Katheder. Jetzt war die ganze Klasse auf den Beinen, und ich wurde von den anderen auf den Korridor gedrängt. Aus allen anderen sechs

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