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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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stöhnte Tubal. »So was braucht man später doch gar nicht.«
    »Versuch’s erst mal«, ermunterte ihn Frau Lundin.
    Ich brauchte zwanzig Minuten, um die zehn Aufgaben zu lösen, stand auf und legte meinen Test auf den Katheder. Frau Lundin warf einen Blick darauf.
    »Hast du kontrolliert, ob alles richtig ist? Nicht dass sich Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben?«
    »Ich mache keine Flüchtigkeitsfehler«, sagte ich. »Was soll ich jetzt tun?«
    »Du kannst nach draußen gehen, wenn du möchtest«, antwortete Frau Lundin.
    Ich verließ das Klassenzimmer und spazierte den Korridor entlang. Als ich die Tür zum Empfang passierte, kamen eine kleine gebeugte Frau und ein riesiger Mann, lang wie eine Bohnenstange, heraus. Die Bohnenstange trug eine Kiste Bücher in der rechten Hand. In seiner Pranke wirkte die Kiste mit mindestens zwanzig Büchern Inhalt wie eine Zigarettenschachtel.
    »Niemand will mehr Deutsch lernen«, beklagte sich die Frau. »Einige Schüler wollen damit aufhören, und dann müssen wir den Unterricht einstellen.«
    »Es ist ein Skandal«, sagte die Bohnenstange. »So ein wichtiger Handelspartner …«
    »Entschuldigung«, sagte ich, kehrte um und folgte den beiden. »Entschuldigung, ich wollte mich zum Deutschunterricht anmelden.«
    Die kleine Frau blieb stehen. Der Lange ging weiter.
    »Ich heiße Tom«, sagte ich. »Ich bin neu in der 8a.«
    Die Frau musterte mich, als hätte ich versucht, ihr Falschgeld anzudrehen.
    »Welche Sprache hast du bisher gelernt?«
    »Spanisch, aber ich möchte lieber Deutsch lernen.«
    Die Dame sah mäßig entzückt aus.
    »Gibt es einen besonderen Grund, dass du die Sprache wechseln willst?«
    »Mein Großvater ist Deutscher.« Und dann fügte ich hinzu: »Aber ich sehe ihn nicht häufig.«
    Die kleine Dame nickte.
    »Komm mit, ich zeige dir, wo du dich anmelden kannst.«
    Sie kramte einen Schlüsselbund hervor und schloss die Tür zum Empfang auf. Dann zeigte sie auf eine geschlossene Tür, auf der »Verwaltung« stand.
    »Dort kannst du dich anmelden«, sagte die Frau. »Ich bin Frau Hansson, wir treffen uns im Raum 33.«
    Und dann verschwand sie wieder auf dem Korridor.
    Ich setzte mich und musste eine Weile warten, bis der Mann von der Verwaltung die Tür öffnete und ein Mädchen mit Schal herauskam. Aus irgendeinem Grund musste ich an Bergers Statue denken.
    Dann wurde ich hereingerufen. Das Zimmer war etwa so groß wie meine Abseite, hatte jedoch ein Fenster, und es gab einige grau gestrichene Archivschränke, aber keine Kommode, in der ein Gewehr lag.
    Ich meldete mich für den Deutschkurs an und kehrte in das Klassenzimmer zurück. Außer Frau Lundin waren nur noch das Mädchen mit dem Haarband, dem Rock und dem Pikee-Shirt und Patrik da.
    Das Mädchen hatte alle Aufgaben gelöst und schaute ständig auf die Uhr, während es mit dem Bleistift in der Hand jede Zahlkontrollierte. Patrik zeichnete Gesichter mit großen Augen. Er hatte nur die beiden ersten Aufgaben gelöst.
    »Die erste Lösung ist falsch«, sagte ich, nachdem ich einen Blick auf seinen Zettel geworfen hatte.
    »Sssccchh!«, zischte Frau Lundin.
    Ihr Blick war wohlwollend. Sie hatte inzwischen meine Probe kontrolliert, das war ihr anzusehen. Jetzt hatte sie jedenfalls einen Schüler in der Klasse, der rechnen konnte. Das machte sie überglücklich.
    »Die Zeit ist um«, sagte sie, und Patrik und das Mädchen mit dem Rock und dem Pikee-Shirt lieferten ihre Tests ab.
    »War es schwer?« Frau Lundin schaute das zurechtgemachte Mädchen an.
    »Die Letzte konnte ich nicht.« Das Mädchen seufzte und strich sich mit den Händen über den Rock. In ihrem Seufzer lag tiefste Verzweiflung. Sie ahnte, dass sie niemals Innenarchitektin werden konnte, wenn sie nicht in der Lage war, eine so einfache Gleichung wie die letzte zu lösen.
    »Ich heiße Tom«, sagte ich. »Ich komme aus Sundsvall.«
    »Madeleine«, antwortete das Mädchen mit den hochfliegenden Zukunftsplänen. Sie sah aus, als gehörte ich nicht zu ihrer Welt, und schwebte aus der Klasse, als wäre sie auf dem Weg, sich zur Schönheitskönigin der Schule krönen zu lassen. Frau Lundin lächelte mir aufmunternd zu, wie um mir zu sagen, dass Madeleine die geeignete Gesellschaft für einen jungen Mann ist, der rechnen kann. Patrik stand an der Tür und wartete.
    »Was hast du gesagt, wie du heißt?«, fragte er und folgte mir auf den Korridor.
    »Tom«, sagte ich. »Ich komme aus Sundsvall.«
    »Ich hab mal in Eksjö gewohnt«, sagte

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