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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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karierten Rock hervorragte. Vor ihnen auf dem Glastisch lagen aufgeschlagen ein zehn Zentimeter dickes Buch und eine Bibel. Es stand auch ein leeres Weinglas da.
    Ich gab mir nicht die Mühe, den Plastiküberzug zu entfernen, sondern ließ mich den beiden gegenüber nieder und stellte den Karton neben mich auf das Sofa.
    Dick hatte einen Bleistift in der Hand, und vor ihm auf dem Tisch zwischen den beiden Büchern lag ein Stück Papier, auf das er Vierecke gezeichnet und mit Pfeilen verbunden hatte.
    »Hallo, Tom! Du hast heute Sara getroffen, hab ich gehört.«
    »Hab ich?«
    Er zog eine Augenbraue hoch.
    »Vielleicht wusstest du nicht, dass es Sara war.«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Rastazöpfe, meistens zwei T-Shirts übereinander. Fast immer ausgebeulte Hosen, meistens eine Kette aus Plastikperlen. Ungefähr eins siebzig groß.«
    An sie erinnerte ich mich.
    »Das war Sara? Im Korridor? Tubals Freundin?«
    »Genau«, sagte Dick, »das war sie. Sie hat erzählt, dass du jemanden niedergeschlagen hast. Bei uns ist auch schon eine Anzeige eingegangen. Ich habe sie sofort überprüft, als sie anrief. Tom Eriksson, wegen Körperverletzung in der Brantingsbergsschule.«
    »Nein!«, sagte Annie und legte drei Finger an die Lippen. »Das darf nicht wahr sein!«
    Dick zuckte mit den Schultern.
    »Oder ist das nicht wahr? Erzähl Annie, was passiert ist.«
    Er zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch und starrte mich an. Er streckte sich nach dem Weinglas, sah, dass es leer war, und zog die Hand zurück.
    »Ich bin in eine Schlägerei geraten.«
    »Du prügelst dich doch sonst nie!«, rief Annie.
    »Hier scheint es sich um einen ordentlichen Fight gehandelt zu haben«, sagte Dick. »Blutende Wunde. Verletzung mit Blutfolge wegen einer Gewalttat. Krankenhausbesuch. Mit mehreren Stichen genäht.«
    »Er hat angefangen.«
    »Sara hat behauptet, du hast ihn von hinten in den Rücken getreten«, sagte Dick.
    »Er hat mich geschlagen, sodass ich Nasenbluten bekam.«
    »Kein Wunder, wenn du ihn in den Rücken trittst«, sagte Dick.
    »Er hat mich vorher geschlagen.«
    »Wieso vorher?«, heulte Annie. »Du prügelst dich doch sonst nie! Du hast in deinem ganzen Leben noch niemanden getreten!«
    »Tritte in den Rücken sind nie gut«, sagte Dick. »Man hat immer schlechte Karten, und der Ruf ist ruiniert.«
    »Er hat meinen Freund geschlagen.«
    »Wenn man jemanden in den Rücken tritt, kann alles Mögliche passieren«, sagte Dick.
    »Es war ganz anders. Es ist hinterher passiert. Ich habe ihn getreten, nachdem er mich geschlagen hat.«
    Dick schnaubte, als hätte er Staub in die Nase bekommen.
    »Ich weiß, was Sara erzählt hat. Das ist das Einzige, was ich weiß.«
    »Ich habe ihn in den Rücken getreten, nachdem er mir eine verpasst hat. Hier!«
    Ich zog die Watte aus dem Nasenloch. Es war Blut daran. Ich hielt den beiden die Watte hin.
    »Sara sagt immer die Wahrheit«, behauptete Dick. »Es ist schon mehrere Wochen her, seit sie mich angerufen hat. Aber heute hat sie mich angerufen. Sie war sehr aufgeregt. Das verstehe ich. Wenn man zusehen muss, wie ein Freund getreten wird, dann regt man sich auf.«
    »Es hat in der Klasse angefangen. Er hat Patrik geschlagen.«
    »Sara meint, es ist eine rassistische Tat«, sagte Dick. »Das ist nie angenehm. Das schädigt deinen Ruf.«
    Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
    »Erzähl von Anfang an«, sagte Annie.
    Also erzählte ich alles von Anfang an bis zu dem Moment, als der Direktor meinte, ich sei Rassist, woraufhin ich nach Hause gefahren bin.
    »Marc sagt, ich werde sterben«, sagte ich.
    »So reden Jugendliche heutzutage«, behauptete Dick. »Du brauchst einem Vierzehnjährigen nur auf die Zehen zu treten, und schon zieht er sein Messer. Wir haben andere Zeiten.«
    »Ich weiß nicht, ob ich da wieder hingehen werde«, sagte ich.
    »O ja«, schnaubte Dick, »das wirst du. Wenn du in dieser Situation zu Hause bleibst, kommt das einem Schuldeingeständnis gleich.«
    »Ich versteh das alles nicht«, sagte Annie. »Du hast dich doch noch nie geprügelt. Und dass du auch noch Rassist sein sollst! Das ist doch bescheuert!«
    Dann dachte sie einen Augenblick nach.
    »Kommt das von Tarzan?«
    Sie sah verwirrt aus wie früher, als sie noch klein war und am Slalomhügel hingefallen war.
    »Was meinst du?«, fragte ich.
    »Den Tarzanfilm. Wie die da die Afrikaner behandeln.«
    »Du meinst die Neger?«, fragte Dick.
    »Die heißen nicht Neger«, sagte Annie. »Es sind

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