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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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Gefühl. Aber das hat sich natürlich gelegt. Er sitzt jetzt im Rollstuhl. Taucherunfall. Man sollte nie einen Kopfsprung in unbekanntes Wasser machen.«
    Ich nahm den Kartondeckel vom Tisch.
    »Wer ist Bathseba?«, fragte ich.
    »Warum willst du das wissen?«, fragte Mama zurück.
    Ich zeigte ihr den Deckel. Die Bleistiftschrift war so verblasst, dass man sie kaum entziffern konnte.
    »Muss jemand anderem gelten«, sagte Mama. »Deine Großmutter hieß Ellen.«
    »Ist das nicht der Name von einem Pferd?«, sagte Dick.
    »Einem Pferd?«
    »Auf der Rennbahn Solvalla. Bathseba und Thunder Lightning. Alles auf beide setzen.«
    Es war Annie, die die Katze entdeckte.
    »Guckt mal! Guckt mal, wer wiedergekommen ist!«
    Die Katze war wieder zu Hause. Sie sprang aufs Sofa.
    Die Schwellung am Vorderbein war fast verschwunden.
    »Iih«, sagte Mama. »Katzenhaare auf dem neuen Sofa.«
    »Nie darf man sich wirklich freuen«, sagte Dick. Dann stand er auf. Er trat hinter das Sofa und berührte Annies Haare, ganz leicht.
    »Tschüs, Kleine«, sagte er.
    Dann ging er zu unserem Sofa und strich Mama über die Haare.
    »Tschüs, Kleine«, sagte er zu ihr.
    Da kam Morgan nach Hause.
    »Jemand zu Hause?«, grölte er wie ein Neandertaler durch den Vorraum. »Wir haben gewonnen!«
    Gleich darauf stürzte er ins Zimmer, noch im Trainingsoverall und dreckig im Gesicht.
    »Das einzige Tor!«, rief er. »Ich hab’s geschossen! Das einzige Tor! Verdammt, bin ich gut!«
    Während Morgan wieder und wieder zeigte, wie er den Ball in das linke obere Eck gesetzt hatte, blätterte ich in Großmutters Bibel. An den Rändern wimmelte es von Strichen, Notizen und Ausrufezeichen.
    Dann verschwand der Fußballidiot in der Diele und lief dieTreppe hinauf. Dabei grölte er, als taumelte er stockbesoffen durch die Stadt.
    » Tochter «, sagte Mama.
    Sie strich sich über die Wange, ich wusste nicht, ob sie weinte, und wollte es auch gar nicht wissen. Ich mochte es noch nie, wenn Mama weinte.

    27

    Später am Abend kam Mama in mein Zimmer. Ich lag im Bett und las in meinem Lieblingsbuch. Eigentlich hatte ich keine Lust, mit ihr zu reden, ich wusste ja genau, was jetzt kommen würde.
    Sie setzte sich auf meine Bettkante.
    »Was liest du da?«
    Ich reichte ihr das Buch. Sie warf einen Blick darauf, klappte es aus Versehen zu und gab es mir zurück. Dann schaute sie sich im Zimmer um.
    »Du brauchst eine Lampe.«
    »Es geht auch so.«
    »Du verdirbst dir die Augen.«
    »Es geht schon.«
    »Ich kauf dir morgen eine. Möchtest du eine Wandleuchte oder eine Stehlampe?«
    »Ich kann mir selbst eine besorgen. Noch heute Abend, wenn du willst.«
    Sie beugte sich vor und strich mir über die Haare.
    »Erzähl mir, was in der Schule passiert ist.«
    Also erzählte ich ihr alles so genau wie möglich.
    »Glaubt der Direktor wirklich, dass du ein Rassist bist?«, fragte sie.
    »Ich kann da nicht bleiben«, sagte ich. »Sie werden mich fertig machen.«
    »Das ist ja furchtbar!«, stöhnte Mama. »Dass du gezwungen wirst, die Schule zu wechseln, weil du einem Klassenkameraden geholfen hast.«
    »Ich kann im Internet nach einer anderen Schule suchen«, sagte ich.
    »Aber bis du eine gefunden hast, musst du weiter hingehen«, sagte Mama.
    »Vielleicht.«
    »Du musst. Du darfst nicht einfach zu Hause bleiben. Es kann den ganzen Herbst dauern, ehe du eine neue Schule findest.«
    »Es dauert nur ein paar Tage«, behauptete ich. »Man bringt schließlich das Schulgeld mit. Fast hunderttausend. Alle Schulen sind geil auf die hunderttausend, die ein neuer Schüler mitbringt. Ich schaff das innerhalb einer Woche.«
    »Morgen musst du hingehen«, sagte Mama. »Versprich mir, dass du gehst. Es ist, wie Dick sagt, wenn du wegbleibst, halten sie es für ein Schuldeingeständnis. Versprich mir, dass du morgen in die Schule gehst. Ich kann dich hinfahren, wenn du willst. Kann auch den Direktor anrufen und mit ihm reden.«
    »Gut, ich gehe, aber wenn es Ärger gibt, haue ich ab.«
    Mama strich mir noch einmal über die Haare.
    »Was ist mit deinen Schürfwunden?«
    Ich zeigte ihr meine Hände.
    Sie musterte die Handflächen wie eine Hellseherin, die nach der Lebenslinie sucht.
    »Du hast die gleichen Hände wie dein Vater.«
    Ich schwieg. Hab es noch nie gemocht, wenn sie von meinem Vater redet. Hab immer gedacht, den kann man vergessen.
    »Morgen Abend komme ich spät nach Hause«, sagte Mama.»Dann ist alles fertig. Freitag ist die Einweihung. Möchtest du vielleicht servieren

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