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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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bist ein Rassist.«
    »Das bin ich nicht.«
    Wieder schwieg sie. Im Hintergrund hörte ich den Vorortzug vorbeifahren. Es klang, als würde sie Knäckebrot essen.
    »Warum warst du nicht in der Schule?«, fragte ich.
    »Keine Lust.«
    »Wenn du da gewesen wärst, hättest du gesehen, was passiert ist.«
    »Leila sagt, William ist dein Freund.«
    »Das ist er nicht. Was machst du jetzt?«
    »Muss gleich babysitten. Den ganzen Abend.«
    »Bis morgen«, sagte ich.
    »Vielleicht.«

    Ich ging nach unten, schloss das Fenster im Wohnzimmer, ließ aber das in der Küche offen.
    Auf dem Weg durch den Keller blieb ich bei der Arbeitsbank stehen, fand den Lichtschalter und knipste das Licht an. Vonder Decke hingen starke Glühlampen. Ich zog eine Schublade heraus. Darin lagen zwei Hammer, ein kleiner Hobel und eine Bogenfeile. Zuunterst lag eine Axt mit dreißig Zentimeter langem Stiel. Das Axthaupt war mit einem Lederschutz überzogen, der mit einem Riemen und einer Metallschnalle befestigt war. Neben das Axthaupt hatte jemand mit kaum sichtbarer blauer Farbe eine Scoutlilie gemalt. Daneben stand »1935« sowie »Elof Dagerman« in zentimetergroßen ordentlichen Buchstaben. Jahreszahl und Name waren eingebrannt.
    Ich durchsuchte zwei weitere Schubladen. In einer lagen zwei Rohrzangen und ein verstellbarer Schraubenschlüssel. Er war ein bisschen länger als ein Messer, und ich steckte ihn in die rechte Gesäßtasche.
    Da bemerkte ich eine geschlossene Tür, die mir vorher nicht aufgefallen war. Ich schob den Rasenmäher beiseite, öffnete die Tür und tastete nach einem Lichtschalter. Ich fand zwei. Bei dem ersten, auf den ich drückte, passierte gar nichts. Beim zweiten wurde es hell, sehr hell. Die Lampe war genauso stark wie die Lampen, die den restlichen Keller ausleuchteten.
    Vor dem Kellerfenster war eine Hartfaserplatte angebracht. In einer Ecke neben einem Wäschetrockner stand ein Tisch mit mehreren flachen Schalen. Unter der Kellerdecke waren zwei Wäscheleinen gespannt, an der viele Wäscheklammern hingen. An der Wand oberhalb des Tisches war ein Schrank mit Schiebetüren angebracht. In dem Schrank stand ein halbes Dutzend leerer, verstaubter Flaschen mit unleserlichen Etiketten, außerdem gab es einige Büchsen ohne Inhalt sowie zwei Kameras vom Fabrikat Leica. Sie wirkten häufig benutzt und waren in den Pappkartons verwahrt, in denen sie vermutlich vor Ewigkeiten geliefert wurden.
    Die hintere Wand war von der Decke bis zum Fußboden mit Regalen bedeckt, die mit Ordnern vollgestopft waren. Die mitdem blauen Rücken standen für sich, die roten für sich, und unten standen ein paar Ordner mit grauen Rücken.
    Ich nahm einen Ordner mit blauem Rücken herunter, der ganz oben links stand. Er enthielt Rechnungen. Die erste war von 1949 datiert und betraf Eisenrohre mit einem Zoll und einem halben Zoll Durchmesser. Die Rechnung war von Berger & Falk AG, Baumaterial, Södertälje, ausgefertigt.
    Ich stellte den Ordner zurück. Im untersten rechten Bord waren einige Schuhkartons gestapelt. Auf dem obersten Karton stand mit Bleistift »Bathseba« geschrieben.
    Der Karton war voller schwarz-weißer Fotografien. Auf jedem Bild war eine Frau, häufig im Badeanzug, manchmal nackt, manchmal zusammen mit einem Mann, der eine Badehose trug. Viele der Bilder waren an unserem Steg aufgenommen worden. Auf einigen waren Seerosen zu sehen, aber nicht so viele wie heute. Am Steg lag ein Ruderboot mit weiß gestrichenen Rudern, das genauso groß war wie unseres, nur dass es aus Holz war.
    Ganz zuunterst im Karton fand ich ein Bild, das dem Foto unter dem Flugzeug fast aufs Haar glich. In der Mitte steht eine Frau in kurzärmeliger Bluse und Rock, sie hat die Arme um zwei Männer in Sakkos geschlungen. Hinter und über ihnen sind blühende Apfelbaumzweige zu sehen.
    Ich habe meine Großmutter nicht sehr oft getroffen, aber ich war ganz sicher, wer die Frau auf den Bildern war. Auf den Fotos sieht sie aus wie Mama.
    Ich nahm den Karton mit, knipste das Licht aus und ging nach draußen. Es war dunkel geworden. Bei den Mülltonnen raschelte es, sie waren fast ganz von der Ligusterhecke überwachsen. Bis auf den Gartenweg stank es nach dem Abfall von den Mülltonnen. Die Dachse rochen ihn auch. Sie waren schon dort.
    Vor unserem Haus standen die Fahrräder von Dick und Annie.

    26

    Sie hatten das eine Sofa von dem Plastikbezug befreit und saßen dicht nebeneinander. Dicks Jeansschenkel berührte Annies nacktes Knie, das unter dem

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