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Du musst die Wahrheit sagen

Titel: Du musst die Wahrheit sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Wahl
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Sommerferien war.
    »Patrik«, sagte ich.
    Er nickte und schaute zum Fenster. Er wollte hier raus, raus, raus.
    »Du meinst, dass Tubal Patrik geschlagen hat? Im Klassenzimmer?«
    »Ja.«
    »Hat das jemand gesehen?«
    »Mindestens zehn Leute, Herr Nilsson vielleicht auch.«
    Jetzt sah der Direktor mich mit einem Blick an, als würde er mich für schwachsinnig halten.
    »Wenn Herr Nilsson das gesehen hätte, wäre er eingeschritten, oder?«
    »Da bin ich nicht so sicher. Er scheint Patrik nicht zu mögen.«
    Der Direktor seufzte.
    »Tubal hat Patrik also während des Unterrichts geschlagen?«
    »Herr Nilsson hat nicht eingegriffen«, sagte ich.
    »Vielleicht hat er es nicht gesehen?«, sagte der Direktor. »An dieser Schule wird jede Misshandlung angezeigt.«
    »Hätte Herr Nilsson nicht etwas unternehmen müssen?«
    Jetzt schien der Direktor Mitleid mit mir zu haben.
    »Was konnte Herr Nilsson schon tun, wenn er gar nichts gesehen hat?«
    Ich hatte einen Kloß im Hals.
    »Ich gehe noch keine Woche in die Klasse und habe schon zweimal gesehen, dass Patrik geschlagen wurde. Wie oft wird Patrik geschlagen, ohne dass jemand etwas unternimmt?«
    »Jetzt wollen wir mal nicht übertreiben«, sagte der Direktor. »Jetzt wollen wir mal nicht die Gefühle mit uns durchgehen lassen.«
    In dem Augenblick sprang ich auf und lief hinaus.

    25

    Ich hätte meine erste Deutschstunde haben sollen, aber ich ging zu den Fahrradständern und fuhr nach Hause. Als ich in den Wald einbog, vermisste ich Nadja, die ich den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Ich rief sie an, aber sie meldete sich nicht. Ich fuhr weiter.
    Als ich die Wiese erreichte, stieg ich ab, um nach der Schlange zu schauen. Es klingt vielleicht komisch, aber ich hatte das Gefühl, als wäre die Schlange mein einziger Freund.
    Nach einer Weile strampelte ich weiter.
    Niemand war zu Hause, die Möbel für das Wohnzimmer waren geliefert worden. Es waren zwei hellgraue Sofas, ein Glastisch, dessen Platte fast genauso groß war wie mein Bett, und ein brauner Ledersessel. Die Sofas waren noch in Plastik verpackt. Sie standen mitten im Zimmer, dazwischen der Tisch. Die in Plastik eingehüllten Sofas sahen irgendwie heimatlos aus.
    Ich ging in die Küche, kochte Tee, machte mir Butterbrote und trug alles auf einem Tablett in mein Zimmer. Dort warf ich mich auf das Bett. Ich aß die Butterbrote und trank den Tee und las dabei in meinem Lieblingsbuch.
    Dann hörte ich ein mächtiges Gekrächze auf dem Hof. Ich stand auf und ging zum Fenster. Im Gras vor der Veranda kämpfte eine Krähe mit einer Elster. Die Krähe siegte, und die Elster gab auf. Sie setzte sich in eine der Erlen und schimpfte. Die Krähe blieb im Gras sitzen und hackte auf etwas ein. Ich konnte nicht erkennen, was es war.
    Ich ging in die Abseite, nahm den Schlüssel und öffnete die Kommodenschublade, holte den Gewehrkasten hervor und stellte ihn auf das Bett, öffnete die beiden Verschlüsse und zog Kolben und Lauf heraus, setzte sie zusammen und pulte die Patronen mit den gelb glänzenden Messinghülsen aus den kleinenLöchern. Die Bleikugeln waren grau. Ich drückte eine nach der anderen ins Magazin unter dem geöffneten Schloss. Das Magazin fasste zehn Patronen.
    Als ich fertig war, öffnete ich das Fenster. Die Krähe war immer noch im Gras und bewegte sich in einer Art Tanz rund um das herum, worauf sie einhackte. Die Elster saß auf ihrem Zweig im Baum und schimpfte laut. Ich richtete das Gewehr auf die Krähe, vielleicht war sie fünfzehn Meter entfernt. Als ich den Krähenkörper mitten über dem Korn hatte, drückte ich ab. Der Knall war unbedeutend, fast leise, jetzt, wo ich wusste, wie laut ein Schuss sein konnte.
    Staub wirbelte auf. Ich hatte den Vogel genau an der Stelle getroffen, wo der Flügel am Rumpf saß. Die Krähe fiel auf die Seite, schlug mit dem linken Flügel und lag still.
    Ich sicherte die Waffe, löste den Lauf und legte das Gewehr wieder in den Kasten, verschloss ihn und brachte ihn zurück in die Kommodenschublade, sperrte ab und steckte den Schlüssel in die Tasche.
    Dann ging ich auf den Hof. Die Krähe lag ganz still, aber ihr Auge bewegte sich. Ich hob den Flügel an. Währenddessen zeterte die Elster, trocken und erregt, wobei sie auf ihrem Zweig auf und ab trippelte. An einem Grashalm neben der Krähe klebte ein Blutstropfen.
    Ich trug den Vogel zu der Stelle in der Hecke, wo ich den Gewehrkasten versteckt hatte, bevor ich ihn in mein Zimmer brachte, und warf den Vogel in das

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