Du oder das ganze Leben
habe einen Hockeyschläger in der Hand?
»Bist du fertig?«, frage ich, als er ungefähr die Hälfte der Bälle aus seinem Körbchen verschlagen hat.
»Alex«, sagt Paco und stützt sich auf seinen Golfschläger, als sei es ein Krückstock, »glaubst du, es ist meine Bestimmung, Golf zu spielen?«
Ich sehe ihm fest in die Augen und antworte: »Nein.«
»Ich habe gehört, wie du dich mit Hector unterhalten hast. Was dich betrifft, glaube ich nicht, dass es deine Bestimmung ist, mit Drogen zu dealen.«
»Sind wir deshalb hier? Versuchst du gerade, mir etwas klarzumachen?«
»Hör mich an«, beharrt Paco. »Ich habe die Schlüssel für den Wagen in meiner Tasche und ich gehe nirgendwohin, bevor ich nicht alle diese Bälle geschlagen habe, also kannst du mir genauso gut zuhören. Ich bin nicht so schlau wie du. Ich habe nicht so viele Möglichkeiten im Leben. Aber du, du bist klug genug, um aufs College zu gehen und Arzt oder Computernerd zu werden oder so was. Genau wie ich nicht geboren wurde, um Golf zu spielen, wurdest du nicht geboren, um mit Drogen zu dealen. Lass mich die Lieferung übernehmen.«
»Auf keinen Fall, Mann. Ich weiß zu schätzen, dass du dich zum Vollidioten machst, um etwas zu demonstrieren, aber ich weiß, was ich zu tun habe«, erkläre ich ihm.
Paco platziert einen neuen Ball auf dem Abschlagsmal, holt aus – und wieder rollt der Ball nur ein Stück weiter. »Diese Brittany ist wirklich heiß. Plant sie, aufs College zu gehen?«
Ich weiß, was Paco da versucht. Unglücklicherweise ist mein bester Freund so was von durchschaubar. »Ja. In Colorado.« Um in der Nähe ihrer Schwester zu sein, deren Wohl ihr mehr am Herzen liegt als ihr eigenes.
Paco pfeift durch die Zähne. »Ich bin sicher, sie wird eine Menge Typen in Colorado kennenlernen. Du weißt schon, beinharte Kerle mit Cowboyhüten.«
Ich balle unwillkürlich die Fäuste. Ich will nicht darüber nachdenken. Bis wir wieder im Wagen sind, lasse ich Paco links liegen. Dann sage ich zu ihm: »Wann wirst du endlich aufhören, deine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken?«
Er gluckst. »Nie.«
»Dann hast du bestimmt auch nichts dagegen, wenn ich mich in deine mische. Was ist zwischen dir und Isa gelaufen, hm?«
»Wir haben rumgeknutscht. Das ist vorbei.«
»Du meinst vielleicht, es sei erledigt, aber ich glaube, sie sieht das anders.«
»Und wenn schon, das ist ihr Problem.« Paco macht das Radio an und dreht die Musik auf.
Paco hat noch nie etwas Ernstes mit einem Mädchen angefangen, weil er Angst davor hat, jemanden an sich heranzulassen. Niemand – auch Isa nicht – ahnt, wie oft und wie heftig Paco zu Hause misshandelt worden ist. Glaubt mir, ich verstehe vollkommen, warum er sich von dem Mädchen fernhält, das ihm etwas bedeutet. Denn die Wahrheit ist, dass man sich mitunter verbrennt, wenn man dem Feuer zu nahe kommt.
47
Brittany
»Paco, was machst du hier?« Die letzte Person, die ich vor meinem Haus erwartet hätte, ist Alex’ bester Freund.
»Ich muss mit dir reden.«
»Willst du reinkommen?«
»Bist du sicher, dass das okay ist?«, fragt er nervös.
»Selbstverständlich.« Nun ja, für meine Eltern ist es das wahrscheinlich nicht, aber für mich. Und es besteht leider keine Hoffnung, dass sie aus heiterem Himmel beschließen, Shelley doch nicht wegzuschicken. Ich bin es leid, zu tun als ob; ich bin es leid, Angst vor den Wutausbrüchen meiner Mutter zu haben. Das hier ist Alex’ bester Freund und er akzeptiert mich. Ich bin sicher, es war nicht einfach für ihn, hierher zu kommen. Ich öffne einladend die Tür und lasse Paco rein. Wenn er mich wegen Isabel ausfragt, was erzähle ich ihm dann? Sie hat mich schwören lassen, nichts weiterzusagen.
»Wer ist an der Tür, Brit?«
»Das ist Paco«, erkläre ich meiner Mutter. »Er ist ein Schulfreund von mir.«
»Das Essen steht auf dem Tisch«, verkündet meine Mutter mit dem nicht gerade subtilen Versuch, Paco loszuwerden. »Sag deinem Freund, dass es unhöflich ist, während der Essenszeiten vorbeizukommen.«
Ich sehe Paco fragend an. »Möchtest du mitessen?« Den Aufstand zu proben, fühlt sich großartig an. Befreiend.
Ich höre anhand ihrer Schritte, wie meine Mutter aufgebracht in die Küche stapft.
»Äh, nein, danke.« Paco unterdrückt ein Lachen. »Ich dachte, wir könnten vielleicht reden. Über Alex, du weißt schon.«
Ich weiß nicht, ob ich erleichtert darüber sein soll, dass er mich nicht nach Isabel fragt, oder beunruhigt,
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