Du oder das ganze Leben
hören können. Wenn ich einfach dasitze und ihn gewähren lasse, ertönt vermutlich gleich das missbilligende
Schnalzen meiner Mutter in meinem Kopf, die mir eingebläut hat, mein guter Ruf sei alles.
Ich weiß, dass die ganze Klasse unseren Schlagabtausch beobachtet, sogar Isabel, die glaubt, Alex sei nicht halb so schlimm wie alle denken. Sieht sie denn nicht, wie er wirklich ist oder ist sie nur geblendet von seinen ebenmäßigen Zügen und der Beliebtheit, die er unter seinen Freunden genießt?
Alex flüstert: »Zwischen Liebe und Hass liegt ein schmaler Grat. Vielleicht bringst du die Emotionen nur durcheinander.«
Ich rutsche von ihm weg. »Darauf würde ich an deiner Stelle nicht wetten.«
»Ich schon.«
Alex’ Blick fällt auf die Tür des Klassenzimmers. Durch die Glasscheibe winkt sein Freund ihm zu. Sie wollen wahrscheinlich zusammen schwänzen.
Alex schnappt sich seine Bücher und steht auf.
Mrs Peterson dreht sich um. »Alex, setz dich.«
»Ich muss pissen.«
Die Augenbrauen der Lehrerin ziehen sich zusammen und sie stemmt eine Hand in die Hüfte. »Achte gefälligst auf deine Ausdrucksweise. Das ist die letzte Warnung. Du brauchst deine Bücher auf der Toilette nicht. Leg sie auf den Tisch zurück.«
Alex presst die Lippen zusammen, aber er legt die Bücher auf den Tisch.
»Ich habe dir gesagt, in meiner Klasse sind Gang-Accessoires tabu«, sagt Mrs Peterson. Ihr Blick ist auf das Bandana gerichtet, das er vor seinen Schritt hält. Sie streckt ihre Hand aus. »Gib es mir.«
Alex wirft einen Blick zur Tür, dann sieht er Mrs Peterson an. »Was ist, wenn ich mich weigere?«
»Alex, fordere mich nicht heraus. Null Toleranz. Möchtest du
eine Suspendierung?« Sie bewegt ihre Finger und signalisiert ihm so, dass er ihr das Bandana besser auf der Stelle aushändigt.
Mit finsterem Blick legt er langsam das Bandana in ihre Hand.
Mrs Peterson schnappt erschrocken nach Luft, als sie ihm das Kopftuch abnimmt.
Ich kreische: »Oh mein Gott!«, als ich den riesigen Fleck auf seinem Schritt entdecke.
Einer nach dem anderen beginnt loszuprusten.
Colin lacht am lautesten. »Mach dir nichts draus, Fuentes. Meine Großmutter hat dasselbe Problem. Es ist nichts, was eine große Windel nicht regeln könnte.«
Damit trifft er bei mir einen wunden Punkt, denn die Erwähnung von Windeln für Erwachsene lässt mich sofort an meine Schwester denken. Sich über Erwachsene lustig zu machen, die ihre Körperfunktionen nicht unter Kontrolle haben, ist nicht witzig, weil Shelley zu diesen Menschen gehört.
Alex setzt ein anzügliches Grinsen auf und sagt zu Colin: »Deine Freundin konnte ihre Hände einfach nicht aus meiner Hose lassen. Sie hat mir eine ganz neue Definition von Handwärmern vermittelt, compa .«
Dieses Mal ist er zu weit gegangen. Mein Stuhl schrammt über den Boden, als ich aufspringe.
»In deinen Träumen vielleicht!«, rufe ich empört.
Alex will gerade antworten, als Mrs Peterson »Alex!« brüllt. Sie räuspert sich. »Geh zur Krankenschwester und … säubere dich. Nimm deine Bücher mit, denn im Anschluss wirst du zu Dr. Aguirre gehen. Ich treffe dich in seinem Büro – mit deinen Freunden Colin und Brittany.«
Alex greift sich die Bücher vom Tisch und verlässt das Klassenzimmer, während ich mich zurück auf meinen Stuhl setze. Da Mrs Peterson alle Hände voll zu tun hat, den Rest der Klasse
zur Ordnung zu rufen, habe ich Zeit über meinen gescheiterten Versuch nachzugrübeln, Carmen Sanchez nicht in die Quere zu kommen.
Falls sie glaubt, ich gefährde ihre Beziehung zu Alex, könnten sich die Gerüchte, die sich heute sicher in Windeseile verbreiten werden, als tödlich erweisen.
10
Alex
Oh, das ist gut. Peterson und Aguirre auf der einen Seite von Aguirres Büro, Miss Perfecta und ihr schwanzloser Freund auf der anderen … und ich stehe ganz allein da. Niemand ist auf meiner Seite, so viel ist sicher.
Aguirre räuspert sich. »Alex, das ist das zweite Mal in zwei Wochen, dass du in meinem Büro bist.«
Yep, nach Adam Riese hat er recht. Der Typ ist ein Genie.
»Sir«, sage ich und spiele das Spiel mit, weil ich es leid bin, dass Miss Perfecta und ihr Freund die ganze beschissene Schule regieren. »Es gab ein kleines Missgeschick während der Mittagspause, in dessen Folge etwas Fett meine Hose verunzierte. Anstatt den Unterricht zu versäumen, habe ich einen Freund losgeschickt, mir diesen Ersatz hier zu holen.« Ich zeige auf die Jeans, die ich inzwischen anhabe. Paco
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