Du oder das ganze Leben
Flecken nach Hause komme und zugeben muss, dass
sie von einem Kampf stammen. Meine Mom wird außer sich sein und mir vorwerfen, es nicht verhindert zu haben. Ich bete zu Gott, dass sie nicht wieder damit anfängt, Shelley wegzuschicken. Jedes Mal, wenn etwas schiefläuft, reden meine Eltern davon, Shelley wegzuschicken. Als würden sich alle Probleme der Ellis-Familie auf magische Weise in Luft auflösen, wenn Shelley nicht mehr da wäre.
»Meinst du nicht, dass Mrs Bautista sich wundern wird, wo ich bleibe und nach mir suchen wird? Willst du etwa suspendiert werden?« Ich weiß, schwache Fragen. Aber ich versuche hier Zeit zu schinden.
Sie feixt. »Soll ich dir mal was verraten? Es interessiert mich einen Scheiß, ob ich suspendiert werde oder nicht.«
Das dachte ich mir schon, aber einen Versuch war es wert.
Anstatt mich schützend neben meinem Spind zusammenzukauern, richte ich mich kerzengrade auf. Carmen versucht wieder, mich an der Schulter zu stoßen, aber dieses Mal gelingt es mir, ihren Arm beiseite zu schlagen.
In wenigen Sekunden werde ich meinen ersten Faustkampf austragen. Einen Kampf, den ich verlieren werde. Es fühlt sich an, als müsste mir das Herz aus der Brust springen. Mein ganzes Leben habe ich Situationen wie diese vermieden, aber hier und jetzt bleibt mir keine Wahl. Ich überlege, ob ich den Feueralarm auslösen soll, um aus der Sache herauszukommen. Das habe ich mal in einem Film gesehen. Aber natürlich ist weit und breit keines der kleinen roten Kästchen zu entdecken.
»Carmen, lass sie in Ruhe.«
Als die Stimme des Mädchens ertönt, fahren wir beide herum. Es ist Isabel. Meine Nichtfreundin. Die mein Gesicht vielleicht gerade davor bewahrt, zu Brei geschlagen zu werden.
»Isa, halt dich da raus«, knurrt Carmen.
Isabel kommt auf uns zu, ihr dunkelbraunes Haar ist hoch
am Kopf zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jedem Schritt mitwippt. » No chingues con ella , Carmen.«
» ¿Por qué no? «, fragt Carmen. »Weil Blondie deine neue beste Freundin ist, seit ihr zusammen eure Dumpfbacken-Pompons schwingt?«
Isa stützt die Hände in die Hüften. »Du bist sauer auf Alex, Carmen. Deshalb benimmst du dich wie eine perra .«
Als Alex’ Name fällt, flippt Carmen aus. »Halt’s Maul, Isa. Du hast doch keine Ahnung.«
Carmens Wut richtet sich nun gegen Isabel und sie schreit sie auf Spanisch an. Isabel lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie steht selbstbewusst vor Carmen und schreit auf Spanisch zurück. Isabel ist relativ klein und wiegt wahrscheinlich weniger als ich. Dass sie Carmen so entschieden in die Schranken verweist, schockt mich. Aber sie ist durchaus in der Lage, ihre Kämpfe auszufechten. Das erkenne ich daran, wie ihre Worte Carmen den Rückzug antreten lassen.
Mrs Bautista erscheint hinter Carmen. »Feiert ihr drei etwa eine Party, ohne den Rest der Klasse dazuzubitten?«
»Wir haben nur etwas miteinander gequatscht«, sagt Carmen, die von einem Moment zum anderen so tut, als wären wir drei die besten Freundinnen.
»Nun, dann schlage ich vor, ihr unterhaltet euch nach der Schule, statt während des Unterrichts. Miss Ellis und Miss Avila kommen bitte mit in die Halle. Miss Sanchez wird sicher auch irgendwo erwartet, oder?«
Carmen zeigt mit dem rot lackierten Fingernagel auf mich. »Wir sehen uns«, sagt sie, dann verlässt sie die Umkleide. Natürlich geht sie nicht einfach so. Sie nötigt Isabel, beiseitezutreten, um ihr den Weg freizumachen.
»Danke«, sage ich leise zu Isabel.
Ihre Antwort ist ein Nicken.
12
Alex
»Bist du bald fertig mit dem Honda? Es ist Zeit, den Laden zu schließen«, informiert mich mein Cousin Enrique. Ich arbeite jeden Tag nach der Schule in seiner Autowerkstatt, um meine Familie zu unterstützen und für ein paar Stunden Ruhe von der Latino-Blood-Scheiße zu haben, und auch, weil ich verdammt gut darin bin, Autos zu reparieren.
Ich bin von Kopf bis Fuß fett- und ölverschmiert, als ich unter dem Civic hervorrolle. »Nur noch’ne Sekunde.«
»Gut. Der Typ geht mir nämlich seit drei Tagen auf den Zeiger, wann sein Wagen endlich fertig ist.«
Ich ziehe den letzten Bolzen an und gehe zu Enrique rüber, der seine Hände gerade an einem Putzlappen abwischt. »Kann ich dich mal was fragen?«
»Leg los.«
»Ich würde nächste Woche gerne einen Tag freinehmen. Da ist dieses Chemieprojekt«, erkläre ich, »und wir sollen uns mit unseren Partnern …«
»Petersons Kurs. Ich erinnere mich. Die ist knallhart.« Mein
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