Du oder das ganze Leben
egal wie betrunken ich bin.
»Beachte Javier gar nicht«, sagt Alex. »Manchmal meint er, er müsse einen auf Brutalo machen.« Ich bin völlig perplex, als er näher tritt und eine Träne von meiner Wange wischt. »Nicht weinen. Ich würde nicht zulassen, dass er dir wehtut.«
Soll ich ihm erzählen, dass ich keine Angst davor habe, dass man mir wehtut? Ich habe Angst davor, die Kontrolle zu verlieren.
Obwohl ich nicht besonders weit gerannt bin, ist es weit genug weg von Alex’ Freunden. Sie können mich nicht mehr sehen oder hören.
»Warum magst du Carmen?«, frage ich, während die Welt sich plötzlich neigt und ich stolpere. »Sie ist gemein.«
Er streckt die Hände aus, um mir zu helfen, aber ich zucke vor seiner Berührung zurück und er steckt sie stattdessen in seine Hosentaschen. »Was kümmert dich das überhaupt? Du hast mich versetzt.«
»Ich hatte zu tun.«
»Musstest du dir die Haare waschen oder zur Maniküre gehen?«
Oder mir die Haare von meiner Schwester ausreißen lassen und von meiner Mutter angebrüllt werden? Ich piekse ihn mit meinem Finger in die Brust. »Du bist ein Arschloch.«
»Und du eine Zicke. Eine Zicke mit einem Wahnsinnslächeln und Augen, die einen echt um den Verstand bringen können.«
Er zuckt zusammen, als seien ihm die Worte unfreiwillig entschlüpft und als würde er sie gern zurücknehmen.
Ich habe damit gerechnet, mir eine Menge Dinge von ihm anhören zu müssen, aber darauf war ich nicht gefasst. So was von überhaupt nicht gefasst. Ich bemerke seine blutunterlaufenen Augen. »Du bist high, Alex.«
»Und wenn schon, du siehst selber nicht allzu nüchtern aus. Vielleicht wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, mir den Kuss zu geben, den du mir schuldest.«
»Nie im Leben.«
» ¿Por qué no? Hast du Angst, es könnte dir so sehr gefallen, dass du darüber deinen Freund vergisst?«
Alex küssen? Niemals. Auch wenn ich darüber nachgedacht habe. Sehr oft sogar. Öfter, als ich es hätte tun sollen. Seine Lippen sind voll und einladend. Na super, er hat recht. Ich bin betrunken. Und ich fühle mich definitiv nicht gut. Schwindel und Delirium habe ich hinter mir gelassen, denn ich denke Dinge, die ich besser nicht denken sollte. Zum Beispiel, dass ich gerne wüsste, wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen.
»Also schön. Küss mich, Alex«, sage ich, mache einen Schritt vor und beuge mich zu ihm. »Dann sind wir quitt.«
Seine Hände umfangen meine Arme. Es ist so weit. Ich werde Alex küssen und herausfinden, wie es sich anfühlt. Dieser Junge ist brandgefährlich und fordert mich in einer Tour heraus. Aber er ist auch sexy und düster und wunderschön. Ihm so nah zu sein lässt meinen Körper vor Erwartung zittern. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich hake mich mit meinem Finger in seiner Gürtelschlaufe ein, um Halt zu gewinnen. Es ist, als stünden wir in einem Break Dance No 1 auf dem Jahrmarkt.
»Du wirst dich jeden Moment übergeben«, verkündet er.
»Werde ich nicht. Ich … genieße die Fahrt.«
»Wir fahren doch gar nicht.«
»Oh«, sage ich völlig durcheinander. Ich lasse seinen Gürtel los und konzentriere mich auf meine Füße. Es sieht aus, als lösten sie sich vom Boden und schwebten über den Sand. »Mir ist schwindelig, das ist alles. Mir geht’s gut.«
»Von wegen.«
»Wenn du aufhören würdest, dich zu bewegen, würde es mir viel besser gehen.«
»Ich bewege mich gar nicht. Und ich hasse es, der Überbringer der schlechten Nachricht zu sein, mamacita , aber du wirst gleich kotzen.«
Er hat recht. Mein Magen will sich einfach nicht beruhigen. Er stützt mich mit einer Hand, während seine andere mein Haar zusammenfasst und es aus meinem Gesicht hält, als ich mich vornüberbeuge und kotze.
Mein Magen ist in Aufruhr. Ich übergebe mich und kurz darauf hebt sich mein Magen erneut. Abartige Gurgel- und Würgegeräusche kommen aus meinem Mund, aber ich bin zu besoffen, als dass es mir noch etwas ausmachen würde.
»Jetzt guck dir das an«, sage ich zwischen zwei Brechanfällen, »mein Abendessen ist auf deinem ganzen Schuh verteilt.«
20
Alex
Ich blicke auf die Brocken auf meinem Schuh. »Mir ist schon Schlimmeres passiert.«
Sie richtet sich auf, also lasse ich ihr Haar los, das ich einfach davor bewahren musste, während der Kotzepisode in ihr Gesicht zu fallen. Ich versuche, nicht daran zu denken, wie es sich angefühlt hat, als ihr Haar wie gesponnene Seide durch meine Finger geglitten ist.
Fantasien, ein Pirat zu sein und sie
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