Du oder das ganze Leben
passiert gerade. Ich spüre die Veränderung in der Luft. Als gäbe es mit einem Mal ein gegenseitiges Verständnis füreinander. So etwas habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt. Ich räuspere mich, dann sage ich: »Deine Mom lässt ihren Frust wahrscheinlich meistens an dir aus, weil sie weiß, dass du es wegsteckst.«
»Kann schon sein, lieber an mir als an meiner Schwester.«
»Richtig ist es deswegen noch lange nicht.« Ich bin ehrlich mit ihr und hoffe, sie ist es auch. »Hör zu, ich will mich dir gegenüber nicht wie ein Arsch benehmen«, sage ich. So viel zur Alex-Fuentes-Show.
»Ich weiß. Es ist dein Image, das was Alex Fuentes ausmacht. Es ist dein Markenzeichen, dein Aushängeschild … Sexy Mexikaner – gefährlich, tödlich, heiß. Ich bin schließlich die absolute Meisterin im Image-Erfinden. Auch wenn ich nicht die unterbelichtete Superblondine im Sinn hatte. Ich wollte mehr die Perfekte, Unnahbare geben.«
Wahnsinn. Rückspultaste. Brittany hat mich gerade heiß und sexy genannt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vielleicht habe ich doch eine Chance, diese dämliche Wette zu gewinnen. »Du weißt, dass du mich gerade heiß genannt hast.«
»Als ob das für dich was Neues wäre.«
Ich wusste nicht, dass Brittany Ellis mich heiß findet. »Um das mal festzuhalten, ich dachte, du wärst unnahbar. Aber jetzt, da ich weiß, dass du mich für einen heißen, mexikanischen Sexgott hältst …«
»Das Wort ›Gott‹ habe ich nie gesagt.«
Ich lege den Finger an die Lippen. »Schhh, lass mich diese Fantasie eine Minute genießen.« Ich schließe meine Augen. Brittany lacht, ein himmlisches Geräusch in meinen Ohren.
»Auf eine kranke Art und Weise verstehe ich dich sogar, Alex. Aber es regt mich total auf, dass du dich wie ein Neandertaler aufführst.« Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass sie mich beobachtet. »Erzähl niemandem von meiner Schwester«, sagt sie. »Ich mag es nicht, wenn die Leute etwas über mich wissen.«
»Wir sind Protagonisten auf der Bühne unseres eigenen Lebens und geben vor, das zu sein, was die Menschen in uns sehen sollen.«
»Dann verstehst du sicher, warum es schlimm für mich wäre, wenn meine Eltern herausfänden, dass wir … Freunde sind.«
»Du würdest Ärger bekommen? Du bist achtzehn, verdammt. Meinst du nicht, du kannst mit jedem befreundet sein, mit dem du willst? Die Nabelschnur ist schon lange zerschnitten, weißt du.«
»Du verstehst das nicht.«
»Erklär’s mir.«
»Warum willst du das alles wissen?«
»Sollten Chemiepartner nicht eine Menge über einander wissen?«
Sie lacht auf. »Ich hoffe nicht.«
Die Wahrheit ist, dieses Mädchen ist völlig anders als ich dachte. Von dem Moment an, als ich ihr von mi papá erzählte, war es, als seufze ihr ganzer Körper erleichtert auf. Als tröste sie
das Unglück eines anderen, als fühle sie sich dadurch weniger allein. Ich verstehe immer noch nicht, warum es ihr so viel ausmacht, was andere über sie denken. Warum sie beschlossen hat, sich hinter einer makellosen Fassade zu verstecken.
Über meinem Kopf hängt drohend die Wette. Ich muss dieses Mädchen dazu bringen, sich in mich zu verlieben. Und während mein Körper sagt, worauf wartest du noch?, denkt der Rest von mir, du bist ein herzloser Mistkerl, sie ist so verletzbar.
»Ich will die gleichen Dinge vom Leben wie du«, gebe ich zu. »Ich gehe sie nur anders an. Du passt dich an deine Umgebung an, ich an meine.« Ich lege meine Hand zurück auf ihre. »Lass mich dir beweisen, dass ich ganz anders sein kann. Würdest du mit einem Typen ausgehen, der sich weder teure Restaurants leisten noch dich mit Gold und Diamanten überschütten kann?«
»Absolut.« Sie zieht ihre Hand unter meiner hervor. »Aber ich habe einen Freund.«
»Wenn du keinen hättest, würdest du diesem Mexicano hier eine Chance geben?«
Ihr Gesicht läuft in einem hübschen Pink an. Ich frage mich, ob Colin sie je so rot werden lässt. »Darauf antworte ich nicht«, sagt sie.
»Warum nicht? Es ist eine einfache Frage.«
»Ach was. Mit dir ist nichts einfach, Alex. Lass uns erst gar nicht davon anfangen.« Sie schaltet in den ersten Gang. »Können wir jetzt los?«
» Si , wenn du willst. Alles klar zwischen uns?«
»Ich denke schon.«
Ich strecke meine Hand aus, damit sie sie schütteln kann. Sie betrachtet die Tattoos auf meinen Fingern, nimmt dann meine Hand in ihre und schüttelt sie mit unverhohlener Freude. »Auf die Handwärmer«, sagt sie mit einem
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