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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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darauf so heftig, dass ich nun wirklich in Sorge geriet, ob er uns nicht vielleicht heute Abend noch reihum schlagen würde.
    »Verboten! Falsch!«, rief er. »Ausgerechnet IHR müsst natürlich dagegen sein, dass es etwas Verbotenes oder Falsches gibt! Sonst könntet ihr auch nicht das Leben führen, das ihr führt! Und zwar auf Kosten derer, die euer Vater ausgenommen hat! Da hat er gut reden, der Parasit! Da hat er gut LEBEN, der Parasit! In seinem zusammengegaunerten Milieu!«
    Nun wurde es definitiv ungemütlich. Die Lövenichs erstarrten. Was rülpste die Wurst da?
    Egal! Egal, was für ein Insiderwissen der Wurstmann da gerade als Trumpf ausspielte – ich hatte das sichere Gefühl, dass er der FALSCHE war, der da auftrumpfte! IHM stand kein moralisches Urteil über meine Lövenichs zu! Ich hatte zwar keine Ahnung, auf welchem Terrain diese explodierende Wurst da herumturnte, ich FÜHLTE nur, dass sich ein Falscher da etwas Falsches anmaßte.

    Abgesehen davon, dass er meine Marvie in eine äußerst unangenehme Situation manövrierte!
    Offensichtlich hatte sie – in der vollen Naivität eines jungen Dinges – der Wurst etwas besser Verschwiegenes aus dem Lövenichschen Nähkästchen erzählt. Denn jetzt lief sie rot an und vermied jeden Blickkontakt mit ihren Geschwistern. Sie sah nur noch zu Boden. Und jetzt durfte eigentlich nur noch eines geschehen: ICH musste zu ihrem Retter auflaufen. ICH musste sie vor den Anwürfen dieses gallespeienden Monsters schützen. Denn was geschah? Die versammelten Lövenichs blieben stumm!
    Ich traute weder meinen Augen noch meinen Ohren: Die Lövenichs setzten sogar zum Rückzug an! Sie kniffen den Schwanz ein! Sie redeten plötzlich durcheinander, und zwar nur Sätze von belanglosem Inhalt, Versöhnliches, Verbindliches, als wollten sie so schnell wie möglich die Stimmung ins völlig Unverfängliche und Nichtige kippen und jeden Ansatz eines Disputes wegwischen.
     
    D er Wurstmann schien durch seine internen Adrenalinschübe ernüchtert. Mit dem Ergebnis, dass er nicht nur klarer dreinblickte, sondern – diabolischer. Ein breites Grinsen flackerte über sein sowieso schon breites Gesicht. Das ergab eine irgendwie obszön breite Fläche von hell leuchtender Bosheit. Wir anderen saßen weiterhin in bedrückender Dämmerung, aus deren Mitte diese Giftfrikadelle quasi heraus fluoreszierte. Katharina stand auf, auch Laura erhob sich: »Jetzt wird es mir langsam zu kühl«, sagte Katharina, demonstrativ fröstelnd. »Ich muss auch
ins Haus«, meinte Laura und rieb sich die Arme. »Für eine längere Familiendiskussion ist es heute definitiv zu kalt.« Sie verabschiedeten sich höflich, wahrten dabei sehr diszipliniert eine beinahe gelassenen Haltung und verschwanden im Haus. Der Dicke wollte sich zufrieden zurücklehnen, hatte aber vergessen, dass er noch immer auf einem lehnenlosen Bänkchen saß. Erneut musste meine Marvie rasch zugreifen, um seinen Absturz zu verhindern. Ritchie sagte kurz angebunden: »Du kannst meinen Sessel haben«, stand auf und verließ uns ebenfalls.
    Mendelssohn hatte mit den Bewegungen eines gut geölten Rotors vom einen zum anderen gelauscht. Nun saß er bewegungslos und wirkte einfach nur perplex. Die Wurst wuchtete sich hoch und übernahm tatsächlich Ritchies alten Platz. Mit einem zufriedenen Stöhnen ließ er sich in dem Sessel nieder. Dann machte er in Richtung Marvie winkende Bewegungen: Offenbar sollte sie sich nun auf seinen Schoß setzen. »Komm zu Papi!«, sagte er. Er hielt das offenbar für lustig. Marvie hob den Kopf, sah erst Mendelssohn, dann mich an. Diesmal lag in ihren Augen etwa, das um Abbitte zu flehen schien. Um Abbitte und Verständnis. Nach dem Motto: »Er ist nun mal etwas anders.« Um sie zu erlösen, stand auch ich auf: »Mein Füße – ich kann sie nicht mehr spüren!«, sagte ich theatralisch. »Bevor mir mein restlicher Körper auch flöten geht … Mendelssohn, was hältst du vom Aufbruch?« Mendelssohn erhob sich sofort, drückte in Richtung Marvie ein paar Abschiedsfloskeln heraus, dann hakte ich ihn unter. Wir gingen zum Haus, durchquerten das Wohnzimmer, das überfüllte
Foyer und traten auf die Straße. Ruhig war sie, und aus dem Kopfsteinpflaster strömte uns die Restwärme des Tages entgegen. Meine Füße begannen zu tauen.
    Wir endeten in Mendelssohns Küche. Er setzte Tee auf.
    »Was ist das mit dem Vater? Unser wurstiger Freund hat da wohl in ein Wespennest gestochen.«
    »Wir kommen schon noch

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