Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
an und sagte mit ihrer rausüßen Stimme: »Jetzt kannst du wieder.« Ich lächelte dämlich zurück. Marvie ging voran und ich folgte ihr in die Küche. Marvie hantierte an einer Kaffeemaschine von der Größe eines Kühlschranks. Die Maschine röhrte, hämmerte wie ein Schlagbohrer und gebar unter Schmauchen zwei klitzekleine Tassen. Marvie stellte die Tassen auf einen himmelblau lackierten Küchentisch, setzte sich auf einen quietschend gelben Küchenstuhl, stemmte ihre Knie gegen die Tischplatte, griff sich eine der Tassen und schloss die Augen. Vorsichtig setzte ich mich dazu und versuchte, mein abgestelltes Gehirn wieder in Gang zu bringen. Doch da oben herrschte nur weiterhin gähnende Leere, während mein Untenrum dieses altbekannte Gefühl der Hohlheit anmeldete. Ich war also insgesamt so leer wie ein soeben gekärcherter Aldi-Container. Beste Voraussetzungen für eine geistreiche Unterhaltung. Aber auch Marvie blieb gottlob weiterhin geistesabwesend. Sie schien sich geradezu auf wundersame Weise zu verflüchtigen; als flögen ihre Gedanken in ein unbekanntes Tralala oder einen Treibsand oder ein Gebet oder wie oder was … Ich nahm einen Schluck Kaffee, besser gesagt: Ich Affe steckte meinen Schnabel direkt in das fast noch kochende Gesöff, schrie innerlich Zeter und Mordio, fühlte meiner Zunge nach, die umgehend taub und pelzig wurde, kurz:
Amouröse Situationen sehen anders aus. In diesem Gemütsdurcheinander streckte ich die Zunge raus und begann, sie abzutasten. Wahrscheinlich schielte ich sogar bei dem Bemühen, von oben über die Nasenwurzel einen Blick auf sie zu werfen, und merkte dann während dieser würdelosen Akrobatik, dass Marvie mich längst beobachtete. Na gut. Das war′s dann also. Du hattest deine Chance, Django. Mit der durchnässten, nackigen Marvie allein im Haus – und dann mit schräggestellter Augenachse den eigenen Rüssel rausgestreckt und abgefingert – oh ich elender, elendiger Plumpaquatsch! Marvie grinste. Sie kramte einen Kühlakku aus dem Kühlschrank, umwickelte ihn mit einer weißen Stoffserviette, baute sich vor mir auf und befahl rau-süß-herrisch: »Zunge raus!« Mit der linken Hand bog sie meinen armen verwirrten Kopfsalat zurück, ließ die Hand auf meiner Stirne liegen und legte mit der rechten die Kühlung auf meine folgsam heraushängende Zunge. Die Stunden vergingen. Marvies linke Hand schmolz durch meine Stirn hindurch und streichelte mein nacktes Hirn. Mir wurde schwindelig. Ich schloss vorsichtshalber die Augen. »So«, sagte Marvie nach drei oder vier Tagen. Es können auch Wochen gewesen sein. Und: »Was gibt′s?«, fragte sie, als wären wir uns zufällig am Gartenzaun begegnet. »Verlass den Arsch und komm zu mir«, dachte ich lautstark. »Wir passen zueinander. Wir werfen unsere Trauer zusammen und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage von dem, was ich aus den Containern der Welt ziehe.«
    »Ich. Äh.«

    »Ja?«
    »Was für ein Hammer«, dachte ich und sagte: »Hammer. Ich repariere gerade was für Mendelssohn. Und dafür bräuchte ich einen Hammer. Aber Mendelssohn hat keinen. Und da dachte ich.«
    »Ja, klar«, sagte Marvie. »Komm.«
     
    I ch verließ mit wieder gerade stehenden Augen das Haus. Auf dem Bürgersteig musste ich mich davon abhalten, mich mit dem lövenichschen Hammer bewusstlos zu schlagen.

Kapitel 5
    berichtet von einem Messdiener, einem Bischof,
einem Kardinal und deren Abstecher
in einen Baumarkt.

    W ährend der nächsten Tage bekamen wir keinen Lövenich zu Gesicht. Auch der Wurstmann war wie vom Erdboden verschluckt, Marvie trat morgens nicht mehr aus dem Haus und sogar unser lauter Thorsten blieb absent. Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass es an den kommenden Pfingstfeiertagen liegen musste, dass Mendelssohns Straße so verwaist war. Offenbar waren alle in Feiergeschäften unterwegs. Bereits am Freitag vor Pfingsten
rüstete sich der gottlose Mendelssohn zur Vigil – der feierlichen Nachtwache vor einem hohen katholischen Feiertag. Mendelssohns Ausgeglichenheit und Lebensfreude peinigten mich. Ich kam zu der verzweifelten Überzeugung, dass wir etwas Seltsames und Sinnloses tun müssten. Irgendetwas außerhalb und entgegen der normalen Lebensspur wäre jetzt eine Rettung für mein aus der Verankerung gerissenes Seelenleben. Andernfalls würde ich mich nur noch durch den Sturz in einen kopfabreißenden Drogenrausch ruhig stellen können. Also regte ich an, dass wir uns bei einem Kostümverleih ein wenig

Weitere Kostenlose Bücher