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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Ornat ausleihen und als quasi fremde Personen durch die lästigen Feiertage wandeln sollten. Mendelssohn überlegte nicht lange und befand die Idee als großartig. Und er wolle unbedingt als Kardinal gehen, während mir sicher ein Erzbischof gut zu Gesicht stünde.
    Als sich obendrein noch Cromwell ansagte, stieg unsere Feierstimmung ins Albern-Ketzerische.
     
    C romwell nutzte die Pfingstferien, um seine Mutter zu besuchen. Dann kam er nach Hamburg, lüftete seine Wohnung und las sich durch die Postberge, die ich während seiner Abwesenheit aus seinem Briefkasten gezogen hatte.
    Der Job in seinem alten Internat schien ihm nicht gut zu tun, denn er befand sich in einem nervös-nörgelnden Zustand. »Zu viele alte Erinnerungen!«, sagte er. »Und zwar hauptsächlich negative. Ich weiß nicht, warum das Unangenehme so dominiert. Obwohl ich da doch auch Schönes erlebt habe!« Aber er müsse jetzt da durch, schließlich
habe er es seinem alten Direktor und seiner alten Lieblingslehrerin versprochen, und es sei ja nur noch bis Juli.
    Und so lange würde er auch den neuen Direktor ertragen: Sein früherer Kollege und Erzfeind Baumann war inzwischen zum Leiter der Privatschule aufgestiegen. Und obwohl er nicht mehr ganz so entsetzlich wie früher sei, reiche es immer noch für ein paar unangenehme Sticheleien und Anmerkungen, mit denen Baumann sehr gerne und regelmäßig Cromwell wurme.
     
    B aumann stand ja auch genügend Material zur Verfügung, mit dem er ihn piesacken konnte: Cromwell hatte seinerzeit in jugendlicher Verblendung seine ehemalige Schülerin Mick geehelicht, um sich erst auf dem Höhepunkt ihrer psychopathischen Entwicklung wieder scheiden zu lassen. Und Baumann, der diese Mick ebenfalls kannte, ihr nie über den Weg getraut und ihr darum während der Schulzeit oft genug die Hölle heiß gemacht hatte, wurde nicht müde, Cromwell an diesen Lebensirrtum zu erinnern. Diesen fatalen, quälenden Lebensirrtum, der Cromwell für ein paar Jahre aus den Schuhen beziehungsweise aus dem Leben gehauen hatte.
    Cromwells Laune hellte sich allerdings sofort auf, als wir zu Mendelssohn fuhren. Er freute sich über Mendelssohns neues Leben in dieser wunderbaren Villa, lobte uns wegen unseres wackeren Kampfes gegen Thorstens Cabrio und meldete sich schon mal an: Er wolle unbedingt wenigstens einmal eine Fuhre Klebriges in Thorstens Auto entladen. Als wir ihm von unseren pfingsttäglichen
Verkleidungsplänen erzählten, war seine Laune endgültig gerettet.
     
    W ir fuhren kichernd zum Kostümverleih; man hätte meinen können, eine Gruppe Dreizehnjähriger wäre auf dem Weg in ein besonders sittenloses Ferienlager. Wir waren gepackt von einer seltsamen Stimmung: bittere Melancholie an sehr viel Übermut. Ich hatte das Gefühl, es sei ein Zeitpunkt gekommen, da es ganz einfach unabdingbar war, über die Stränge zu schlagen und dem herkömmlichen Leben eine Nase zu drehen. Und meine Freunde schienen von ähnlicher Energie getrieben.
     
    D ie Räume des Kostümverleihers rochen nach alten Stoffen, nach Trockenreinigung und toter Motte. Wir vergruben uns in die klerikale Abteilung. Es gab tatsächlich einen prima Kurienkardinal, den wir sofort Mendelssohn verpassten. Und wie er sich aus der Umkleidekabine schob, im vollen Wichs eines purpurnen Hochklerikers, auf dem Kopf das typische purpurne Wagenrad, an den Händen ein paar der schwulsten Handschuhe, die ich je gesehen hatte – sogar der eher phlegmatische Kostümverleiher stieß einen Pfiff aus. Ich wühlte, bis ich einen Bischof gefunden hatte. Der Kostümverleiher brachte aus einem Raum voller Zubehör einen Krummstab sowie einen dicken Siegelring. Ich verschwand in der Umkleide und hörte Cromwell in der Nachbarkabine kichern und ächzen. Ich muss gestehen, dass mir meine Uniform wirklich das Selbstbewusstsein frisierte: Ich trat heraus, ging auf
und ab, setzte dabei sorgfältig und würdig den Bischofsstab und dachte bei mir: »Warum eigentlich nicht immer so?« Dann bekam ich einen unsortierten Lachkrampf, denn ich sah mich im Glanze meiner Tracht plus die Mitra auf dem Haupt im Hinterhof von Aldi einen Container inspizieren. Und wie Hochwürden einen Sixpack Trink-Joghurt aus der Tonne zog, sowie drei Bund gefleckter Möhren …
    Ich beschrieb Mendelssohn sein ordiniertes Aussehen. Kleider scheinen tatsächlich Leute zu machen, auch Mendelssohn bewegte sich in seinem Purpur mit einer bisher nie an ihm gesehenen Bräsigkeit. Dann schlug ein Vorhang zurück und

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