Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Freund Thorsten weit und breit nichts zu sehen, allein sein Cabrio stand stumm und schweigend vor dem Haus der Plumpskuh. Leider wegen der unsteten Wetterlage mit geschlossenem Verdeck.
»Was kann man eigentlich noch so in ein Cabrio schütten?« , fragte Cromwell. »Auf Dauer wird Kaffee oder Brühe doch langweilig.«
»Öl?«, schlug ich vor. »Das dürfte jedem Polster den Rest geben. Oder saure Milch? Das stinkt mindestens über drei Generationen.«
»Oder beim nächsten Mal einfach rüberbeugen und direkt reingöbeln.«
»Das funktioniert nur, wenn man auf Befehl kotzen kann. Kannst du?«
»Noch nie probiert.«
Unsere Räder hatten wir längst abgeschlossen, aber wie auf Verabredung begannen wir – immer mit kurzem Seitenblick auf die lövenichsche Haustür – herumzubummeln. Mit sehr langsamen Bewegungen prüfte Cromwell
das Profil seines Vorderreifens, während ich im Schneckentempo meine Klingel aufschraubte und ein wenig ihre Innereien betrachtete. Nichts tat sich im Nachbarhaus. Ich schraubte die Klingel wieder zu und Cromwell kniff abschließend noch einmal in seinen Vorderreifen. Das Haus der Lövenichs blieb verwaist. »Schade!«, murrte Cromwell. »Gerade heute fühl ich mich irgendwie so – unwiderstehlich.«
»Oh, was bist du nur für ein Sack von einem Freund!«
Nichts rührte sich in der Straße. Der Nachmittag verging, der Abend kam, aber das ganze Viertel schien ausgelöscht. Der Fluch des kommenden Feiertages senkte unsere Laune. Während Mendelssohn aufreibend penibel seine Regale einsortierte, lagen wir wie zerknäulte Decken auf seinem Sofa und starrten Löcher in die teuren Wände. Kurzfristig erwog ich, den Freunden von meinem Gesundheitszustand zu berichten, ließ es dann aber aus Faulheit doch bleiben. Ohne eine Marvie im Nebenhaus war mein Leben sowieso sinnlos.
Kapitel 8
beschreibt Schlomos gesundheitlichen Abwärtstrend
sowie eine fatale Selbstmedikation.
D ie letzten Messen waren gelesen, der Pfingsthimmel war abgebetet und das Leben kehrte in uns zurück. Beziehungsweise: Mein Gesundheitszustand wurde stetig schlechter. Dem allmorgendlichen Waterboarding nach zu urteilen blieb mir nicht mehr viel Zeit. Bei diesem flinken Verlauf musste ich mich jetzt sogar sputen In diesem Schneesturm an endzeitlichen Gefühlen erreichte uns eine aufwendige Einladungskarte von den Lövenichs: Es gelte, gemeinsam den Sommer zu begrüßen und einzuleiten; um gute Laune und guten Appetit werde gebeten. Und handschriftlich hatte jemand auf Mendelssohns Karte angemerkt, dass diese Einladung auch die beiden Prälaten betreffe, deren Adresse man nicht kenne. »Jawoll!«, sagte Cromwell. »Das wird der Tag der Entscheidung!
DU oder ICH! D-Day!« Und selbstzufrieden betastete er seine ranken Rippen mit einem provozierenden Seitenblick auf meine gepolsterten Rippen. Aber das Containern verhilft nun mal selten zu einer ausgewogenen Ernährung. Außerdem würde mein bisschen Übergewicht im Zuge meiner Krankheit schon noch von alleine dahinschmelzen. Und wäre ich erst mal krebsbedingt abgemagert, würde sich Cromwell schon noch schämen für seinen rücksichtslosen Übermut.
Auch das Klima schien mich verhöhnen zu wollen – jeder Tag begann nun mit leichtfertiger Sonneneinstrahlung; alle Pflanzen, die sich bis jetzt noch in abwartender Vorknospe gehalten hatten, donnerten mit einem Mal aus sämtlichen Ästen und Stängeln. Innerhalb kurzer Zeit war die Stadt nicht mehr nur bedeckt mit locker-grünem Schimmer, sondern getaucht in saftiges Vollgrün. Während ich mit dem Rad unter den neuen Lauben und dem blitzblanken Himmel dahinfuhr, wurde mir doch etwas weh ums Herz. Dass ich jetzt gehen musste … jetzt, wo es gerade richtig schön zu werden drohte … in der Blüte meiner Jahre herausgerissen aus der an allen Ecken knallenden Fülle der Natur… Wir säten, jäteten und murksten in Mendelssohns Garten herum. Und hinter der Mauer waren die Vorbereitungen zum Sommerfest vernehmlich: Bierbänke wurden geliefert, Pavillons errichtet, Katharinas Stimme dirigierte die Geschwister durch einen Wust an Geräuschen, den Mendelssohn für uns sezierte: »Dieses komische Sssst! und Klonk! – Das müssen Klapptische sein.«
Wir boten unsere Hilfe an, wurden aber abgewiesen, wobei alle Lövenichs dramatisch geheimnisvolle Gesichter dazu schnitten; aus Mimik und Gestik war nur zu erkennen, dass es sich bei dem kommenden Fest mindestes um ein logistisch-geheimdienstliches Unterfangen der
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