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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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morgendliche Leben nicht schon schlimm genug, war das auch noch ein verfluchter bleierner Sonntag, der da seine kommende Ödnis an die große Glocke hängte.
    Katharina auf dem Beifahrersitz sah angestrengt nach draußen, durch den Seitenspiegel beobachtete sie das Wegstück hinter uns, auf dem jeden Moment Marvie auftauchen musste. Der notorische Frühaufsteher Mendelssohn saß wach und hell zwischen mir und Laura auf der Rückbank und bekam sogar schon wieder Appetit: »Gibt es hier eigentlich noch diesen Dönerladen?«
    »Das darf ja wohl nicht wahr sein!«
    »Wie schaffst du es, bei dieser Dauerfresserei so dürr zu bleiben?
    »Hab du mal meinen Grundumsatz!«

    »Klaro, bei Mendelssohn gehen allein fürs Gehör tausende Joule durch den Schornstein.«
    Quälend zogen sich die Minuten. Der verdammte Sonntag rüstete schonungslos auf und kleisterte Rouge auf seine graue Fratze.
    »Wo bleibt sie nur! Sie müsste doch mal langsam …«
    »Was ist, wenn ein Taxifahrer einen Unfall baut? Werden dann auch die Personalien vom Fahrgast aufgenommen?«
    »Sicher. Man könnte ihn ja noch als Zeugen brauchen!«
    »Dann fliegt sie auf.«
    »Und wenn es ein schwerer Unfall ist!? Stell dir vor, da wird so ein schwarzes Pfund in die Notaufnahme geliefert, und dann ist es ein Mädchen in zehn Ski-Unterhosen!«
    »Und dazu die Vermisstenmeldung: Dicker schwarzer Mann mit doofer Weste – eventuell Opfer einer Gewalttat – das muss doch stutzig machen!«
    »Da zählt doch jeder eins und eins zusammen!«
    »Hat sie ihr Handy dabei?«
    »Ruf sie jetzt bloß nicht an! Vielleicht kann sie gerade nicht frei sprechen!«
    »Ja, warte, bis sie uns anruft!«
    Eine Minute, noch eine Minute. Viele Minuten. Wir schmorten in Cromwells Wagen wie eine speckige Gans im Bräter. Um Viertel nach fünf spürte ich kein Neuron mehr im Körper. Die Überspannung legte mein Denken lahm. Das also meinen Hirnphysiologen damit, dass Stress dumm macht. Was nun? Keine Ahnung. Ich meinte sogar, die Nerven der anderen surren zu hören. Als stünde man neben einem Trafo.

    Um fünf Uhr dreißig klingelte Katharinas Handy.
    »Ja?? Ja??? WAAAS?? WIE BITTE?? Ja. Bis gleich.«
    Katharina warf ihr Handy auf Cromwells Konsole und stieß einen sehr hohen Schrei aus.
    »Was ist! Was ist passiert!!«
    »Oh, diese dumme, dumme Nuss! Man glaubt es nicht! Ich könnte sie schlagen! Sie sagt, sie hätte improvisiert! Sie sitzt in einem Taxi und ist gleich hier!! Was zum Teufel hat sie jetzt in einem Taxi zu suchen? Der Dicke wohnt doch um die Ecke!«
    Um fünf Uhr fünfunddreißig löste sich Marvie aus dem Labyrinth des Altonaer Bus- und Gleis- und Taxi-Gewirres. Sie trug Jeans, ein Sweatshirt, und ihre Haare hatte sie unter eine Baseball-Kappe gezwängt. Sie eilte auf unser Auto zu, öffnete die Vordertür und setzte sich auf Katharina.
    »So, wir können!«, hechelte sie.
    Wir schrien durcheinander, gaben ihr Schimpfnamen, und dann erzählte sie:
    »Das ging alles sehr, sehr gut! Ich habe keinen Ton gesagt und muss gut besoffen gewirkt haben, weil der Taxifahrer mir noch raushelfen wollte. Ich hab nur gelallt: ›Dange, geht schon, kannichauchalleine …‹«
    Es klang perfekt.
    »Dann bin ich in die Wohnung. Im Treppenhaus habe ich ordentlich getrampelt und mit dem Schlüssel viermal neben das Schloss gestochen. In der Wohnung war es vielleicht unheimlich, das muss ich sagen! Das Bett musste ich gar nicht zerwühlen, das war es schon. Und es stank vielleicht! Es stank eindeutig – fies. Wie in dem Ziegenstall
im Kuschelzoo. Und nach umgekipptem Rotwein. In der Küche war eine Rotweinpfütze. Wenn die Spurensicherung da reingeht – die werden ihre Freude haben. Macht so eine Spurensicherung eigentlich auch sauber? Nein, doch wohl nicht. Die Armen. Dann lag noch eine von meinen CDs auf dem Küchentisch. Ich habe überlegt: Lass ich sie verschwinden? Oder lege ich damit erst recht eine Spur? Wenn sich Ellen daran erinnert, dass sie plötzlich fehlt? Also habe ich sie liegen gelassen. Und dann bin ich auf das Ding mit der Improvisation gekommen!«
    Marvie setzte sich auf Katharina zurecht und wirkte selbstzufrieden. »Fahr los, fahr los!« Cromwell schlug den Weg Richtung Reeperbahn ein. Die berühmte Tanke am Kiez hält zu jeder unchristlichen Zeit eine Flasche parat. Marvie erzählte stolz weiter: »Der andere Schlüssel an seinem Schlüsselbund – der mit dem Gummibärchen –, den habe ich erst im Taxi erkannt. Irgendwo hatte ich den vorher schon mal gesehen.

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