Du sollst meine Prinzessin sein
arbeiten, viel zu jung, um schwanger zu werden und viel zu jung, um zu sterben. Noch vor ihrem zwanzigsten Geburtstag war sie in Frankreich bei einem schrecklichen Verkehrsunfall ums Leben gekommen.
Maria – so wunderbar, so hübsch. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren, großen blauen Augen und dem Lächeln eines Engels.
Ihre Eltern waren fassungslos gewesen, als Maria eines Tages nach Hause kam und erzählte, der Agent einer Modelagentur habe sie entdeckt. Lizzy hatte ihre achtzehnjährige Schwester zu ihren ersten Probeaufnahmen ins Londoner West End begleitet. Die beiden Mädchen hatten völlig unterschiedlich auf diese Erfahrung reagiert. Maria mit Begeisterung. Sie hatte sich in dem Modemilieu sofort zu Hause gefühlt. Lizzy hingegen kam sich fehl am Platz vor. Ihr war unbehaglich zumute, als leide sie an einer schrecklichen Krankheit.
Lizzy wusste, um welche Krankheit es sich handelte. Seit der Geburt ihrer Schwester war sie für ihre Eltern unwichtig geworden. Ihre einzige Funktion war es, auf Maria aufzupassen.Und genau das hatte sie getan. Sie begleitete Maria zur Schule, blieb bis spät in die Nacht in den Clubs bei ihr, half ihr bei den Hausaufgaben und dann beim Examen. Obwohl die intelligente Maria, wie ihre Eltern sie beständig erinnerten, nicht viel Hilfe gebraucht hatte – vor allem, weil Lizzys eigene Examensresultate nicht gerade berauschend waren. Aber hatte jemand erwartet, dass sie berauschend waren? Nein, niemand. Und niemand erwartete, dass sie der Welt irgendetwas Bleibendes hinterließ. Deshalb und weil ein Studium viel Geld kostete, war Lizzy nicht aufs College gegangen. Das Geld war für Marias Ausbildung gespart worden.
Aber alle Hoffnungen waren zerstört worden, als Maria ein Modelvertrag angeboten wurde.
„Jetzt kann Lizzy doch zur Universität gehen“, hatte Maria gesagt. „Ihr wisst, dass sie das immer wollte.“
Allein der Gedanke war lächerlich. Mit zwanzig war Lizzy zu alt, um Studentin zu werden und einfach nicht intelligent genug. Außerdem wurde sie als Verkäuferin in dem kleinen Laden ihres Vaters in einem Londoner Vorort gebraucht.
„Lizzy, zieh von zu Hause aus“, drängte Maria sie, als sie zum ersten Mal nach dem Beginn ihrer Karriere zu Besuch gekommen war. „Sie behandeln dich wie ein Arbeitstier. Komm mit mir nach London. Wir können uns eine Wohnung teilen. Es ist toll dort, ehrlich. Jede Menge Spaß und Partys. Ich verpasse dir das richtige Styling, und wir können …“
„Nein.“ Lizzys Stimme klang scharf.
Maria hatte ihr Angebot freundlich gemeint. Aber die Vorstellung, die alte hässliche Schwester in einer Wohnung voller gut aussehender Teenager-Models zu sein, war zu schrecklich.
Sie hätte gehen sollen, das hatte sie schon damals geahnt. Wenn sie mit ihrer Schwester zusammengelebt hätte, hätte sie doch sicher von ihrer Affäre erfahren? Vielleicht hätte sie sie sogar verhindern können? Ein Gefühl von Schuld stieg in Lizzy auf. Zumindest hätte sie wissen können, mit wem Maria eine Affäre hatte.
Und das hätte bedeutet, überlegte sie mit einem Blick auf Bens helle Haare, sie würde wissen, von wem Maria schwanger geworden war.
Aber Lizzy wusste es nicht und würde es auch niemals erfahren.
Auf der Straße hinter ihr erklang ein Motorengeräusch. Instinktiv schob sie den Buggy dichter an den Straßenrand. Helle Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit. Der große Geländewagen wurde langsamer, als die Lichter Ben und Lizzy am Rand der Straße erfassten. Für einen Moment glaubte sie, der Fahrer würde anhalten. Doch der Wagen glitt an ihnen vorbei und beschleunigte wieder. Sie runzelte die Stirn. Die Straße führte ins Landesinnere, hier herrschte normalerweise nur wenig Verkehr. Vielleicht waren es Feriengäste, die Urlaub in einem entlegeneren Cottage machten. Oder vielleicht hatten sie sich einfach verfahren. Lizzy schob den Buggy um die letzte Kurve und blickte dann zu ihrem eigenen Cottage hinüber.
Zu ihrer größten Überraschung parkte der Geländewagen in ihrer Einfahrt.
Furcht breitete sich in ihr aus. Verglichen mit der Stadt war dies hier eine sehr sichere Gegend, aber Verbrechen waren natürlich auch hier nicht unbekannt. Sie steckte eine Hand in die Tasche, bereit, mit ihrem Handy den Notruf der Polizei zu wählen.
Als sie ihr kleines Gartentor erreichte, stiegen zwei Männer aus dem Fahrzeug.
„Haben Sie sich verfahren?“, fragte sie höflich.
Die beiden gaben keine Antwort, kamen nur weiter auf sie
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