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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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sah, wie die zurückkehrenden Busse etwa die Hälfte ihrer Passagiere wieder mit zurück über die Grenze nahmen. Was war geschehen?
    Es war mittlerweile vier Uhr nachmittags, fünf Stunden nach unserer Abreise am Morgen. Da wurde uns gesagt, dass die Grenze nun geschlossen würde. Was sollten wir tun? Würden wir nach Gaza zurückgebracht werden? Müssten wir über Nacht dort im Bus bleiben, ohne etwas zu essen oder zu trinken? Frauen, Kinder, alte Menschen?
    Um neun Uhr abends erhielten wir die Information, dass die Grenzer weiterarbeiten und die Busse durchlassen würden. Wir kehrten alle in die Busse zurück, jeder beeilte sich, in den ersten Bus zu kommen, aus Angst, die Grenze könnte geschlossen werden, ehe die späteren ankämen. Ich war im zweiten Bus, der nun achtzig Passagiere mit all ihren Taschen fasste. Nur mit großen Schwierigkeiten konnten die Türen geschlossen werden.
    Als schließlich der Übergang nach Ägypten geöffnet wurde, fühlte ich mich, als sei es das Tor zum Paradies. Ein ägyptischer Polizeibeamter kam in unseren Bus, um die Passagiere zu zählen und unsere Pässe zu prüfen. Wir mussten im Bus warten und durften nicht aussteigen.
    Gegen elf Uhr abends wurde der Busfahrer aufgefordert, ein Stück weiterzufahren, und wir durften in den Bereich der Passkontrolle gehen. Wir dachten, wir hätten es geschafft.
    Mit mir reiste ein 65-jähriger Nachbar, dessen Frau Ägypterin war. Sie und ihre Kinder hatten seit der israelischen Besat zung von 1967 in Ägypten gelebt. Mit der Besatzung von 1967 trat die Regel in Kraft, dass wer nicht in der Volkszählung der Israelis erfasst worden war, nicht in Gaza bleiben, sondern nur als Besucher für eine bestimmte Zeit kommen durfte. Mein Nachbar war nach dem Friedensabkommen von Oslo 1993 als Besucher nach Gaza gekommen und über die erlaubte Zeit hinaus bei seinen Geschwistern geblieben. Er erhob Anspruch auf Familienzusammenführung, was von der israelischen Regierung genehmigt werden musste. Doch es dauerte bis zum Jahr 2008, dass seinem Antrag auf Familiennachzug stattgegeben wurde.
    Nachdem ihm ein palästinensischer Pass und Ausweis ausgestellt worden waren, besaß er nun endlich die Freiheit, zwischen Gaza und Ägypten zu kommen und zu gehen; aber auch das musste von den Israelis genehmigt werden. Er sagte, er hätte alles geregelt, und nahm an, dass es keine Probleme geben würde. Doch auf ihn wartete eine Überraschung: An der Tür des Busses stand ein ägyptischer Sicherheitsoffizier, der sich bei einem Passagier nach dem anderen die Papiere ansah und die Reisenden aufteilte. Einer wurde nach rechts geschickt, einer nach links; dieser Passagier hierhin, jener dorthin. Was hatte das zu bedeuten?
    Ich zeigte ihm meinen Pass und mein Visum, und er sagte mir, ich solle in das Gebäude gehen, wo die Pässe bearbeitet wurden. Als ich das Gebäude betrat, sah ich Hunderte von Leuten, die in der großen Halle warteten. Ich bemerkte meinen Nachbarn und fragte, wie es bei ihm liefe. Er sagte, alles sei in Ordnung und man würde ihn nach Ägypten einreisen lassen. Kurz darauf hörte ich einen Tumult und sah mich um. Ich entdeckte meinen schreienden Nachbarn, den ein ägyptischer Polizist aufforderte, sein Gepäck zu holen, damit er nach Gaza zurückgebracht werden könne.
    Er war nicht der Einzige. Ankommende Patienten mussten zur Bestätigung, dass ihr Beleg glaubhaft und gültig war, von ägyptischen Ärzten untersucht werden. Manche wurden mit demselben Bus zurückgeschickt, mit dem sie gekommen waren. Nach alldem am zweiten Reisetag um ein Uhr früh zurückgeschickt zu werden, müde, erschöpft, frustriert und verzweifelt, war eine Katastrophe.
    Stellen Sie sich vor, Sie wären in solch einer Situation – glauben Sie, in dieser Situation kann irgendjemand noch vernünftig denken? Wenn dann jemand die Kontrolle verliert, ist das nur allzu verständlich.
    Mein Nachbar hatte keine andere Wahl als umzukehren, wie es ihm gesagt worden war. Andere warteten ab, was mit ihnen geschehen würde. Einige, denen die Einreise nach Ägypten bewilligt worden war, wurden gruppenweise von der Grenzstation Rafah zum Flughafen gebracht und durften sich dort ein Ticket kaufen. Ich war einer der Glücklichen, die die Genehmigung erhielten, nach Ägypten einzureisen, in Kairo zu bleiben und eigenständig aus Ägypten auszureisen. Ich kam um sieben Uhr am nächsten Morgen – nach 24 Stunden Demütigung – in meinem Hotel an.
    Meine regelmäßigen Grenzübertritte

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