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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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waren für das palästinensische Volk inakzeptabel, da es gezwungen wurde, sein Heimatland zu verlassen. Ebenso wenig akzeptabel war der Plan für seine arabischen Nachbarn. Als Israel seine Unabhängigkeit erklärte, reagierte Ägypten darauf im Namen der übrigen Region, marschierte von Süden ein und löste damit den Arabisch-Israelischen Krieg von 1948 aus.
    Seither markiert eine Reihe bekannter Daten unsere gescheiterte Koexistenz: der Sinai-Krieg von 1956, der Sechs-Tage-Krieg von 1967, der Jom-Kippur-Krieg von 1973/74, die Intifada von 1987, die Zweite Intifada von 2000. Es gab eine Reihe politischer Führer und endlose Vereinbarungen: das Oslo-Abkommen von 1993, die palästinensische Autonomie, die den Palästinensern unter der Führung von Jassir Arafat 1994 die Selbstverwaltung ermöglichte, die palästinensischen Parlamentswahlen von 1996 und der Wahlsieg der Hamas im Jahr 2006. 1948 wurden die Palästinenser beschuldigt, sie wollten die Israelis ins Meer werfen. Zu diesem Zeitpunkt wurde David Ben-Gurion, der Gründer Israels, gefragt, wie er mit den Paläs tinensern umgehen würde, die ihr Land verloren hatten und abgeschoben worden waren. Er antwortete: »Die Alten werden sterben, und die nächsten Generationen werden vergessen.« Aber heute sieht es doch so aus: Niemand hat die Israelis ins Meer geworfen, und die Palästinenser haben nicht vergessen. Nach sechs Jahrzehnten voller Missverständnisse und Hass scheint die Feststellung angemessen, dass das Vergessen der Vergangenheit nicht das einzige Ziel sein kann: Wir müssen Wege finden, auf denen wir gemeinsam voranschreiten können.
    Ich wurde am 3. Februar 1955 als Flüchtlingskind im Gazastreifen geboren, und ich hatte gleich zu Beginn drei Dinge gegen mich: Wir waren arm, meine Familie war enteignet worden, und ich war der Sohn der zweiten Ehefrau meines Vaters. Lassen Sie mich das erklären: Mein Vater heiratete seine Cousine ersten Grades, und sie hatten zwei Söhne, als sie auf dem Hof der Familie in der Nähe des Dorfes Houg lebten. 1948 brachte er die Familie nach Gaza, um zu verhindern, dass sie vertrieben würde. Meine Mutter Dalal stammte aus einem anderen Dorf namens Demra, das näher am Grenzpunkt Eres lag. Als mein Vater und seine Familie Houg Richtung Gaza verließen, gingen sie zu Fuß ein paar Kilometer nördlich nach Demra, und der Großvater meiner Mutter lud die Familie ein zu bleiben. Mein Vater verliebte sich in Dalal und verließ seine erste Frau, Aisha. Als er sich im Camp von Jabaliya niedergelassen hatte, schickte er nach meiner Mutter, und sie wurden verheiratet, auch wenn ich nicht sicher bin, wann das war – irgendwann um 1950. Aisha lebte weiterhin mit meinen beiden Halbbrüdern in unserer Nähe, und mein Vater unterstützte sie weiter finanziell.
    Damals war es unüblich, jemanden aus einem anderen Dorf zu heiraten, mit dem man nicht verwandt war, und so wurde meine Mutter vom Rest der Familie geächtet. Mein Großvater väterlicherseits jedoch akzeptierte sie; es waren die Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen, die hässlich zu ihr waren, sie nie in Familienereignisse mit einbezogen und sie auf der Straße mieden. Als ich aufwuchs, lebten die erste Frau meines Vaters und ihre beiden Söhne in einem Haus, und meine acht Geschwister und ich lebten mit unserer Mutter, der zweiten Frau meines Vaters, in einem anderen Haus zweihundert Meter die Straße hinunter. Ich dachte, mein Vater sei von seiner ersten Frau geschieden, weil er mit uns lebte, aber das war er nicht. Er war nur von ihr getrennt, und das schuf eine Menge Probleme, weil er sie in Not zurückließ, obwohl er sie finanziell unterstützte. Manche glauben, der Islam erlaube eine, zwei, drei, sogar vier Frauen, etwas, mit dem ich nicht einverstanden bin, was aber immer noch praktiziert wird. So ist es bei einer Ehe, die nicht gut läuft, akzeptabel, eine andere Frau zu heiraten und die erste Frau im Stich zu lassen, ohne sich von ihr scheiden zu lassen.
    Egal wie mein Vater darüber dachte, der Familienclan zog offenkundig seine erste Frau vor, und wir wurden wie Fremde behandelt und als Söhne und Töchter einer fremden Frau angesehen. Auch wenn wir alle in derselben Nachbarschaft lebten und mein Vater für beide Familien sorgte, waren wir diejenigen, die gestraft wurden. Ich erinnere mich, wie weh es tat, wenn meine Onkel und Tanten den Kindern der ersten Frau zum Ramadan Geschenke und Geld gaben, meinen Geschwistern oder mir aber nichts. Die anderen Kinder

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