Du sollst nicht hassen
hätte in Hass münden können, aber sein Weg ist ein anderer. Wie es für ihn typisch ist, sammelte er seine Energie für eine letztlich positive Sicht, die er in einem einfachen und doch bemerkenswerten Satz zusammenfasste: »Wenn ich wüsste, dass meine Töchter das letzte Opfer auf dem Weg zum Frieden zwischen Palästinensern und Israelis wären, könnte ich es akzeptieren.«
Izzeldin kämpft für das, was ihm am Herzen liegt. Er widmet sich ganz der Aufgabe, seine Umgebung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, also der Medizin, zu verbessern. Albert Schweitzer mag zu seiner Zeit nicht der anerkannteste Arzt gewesen sein, aber mit Hilfe der Medizin lenkte er die Aufmerksamkeit der Welt auf das Leiden der Afrikaner. Er zwang die Leute dazu, auf den afrikanischen Kontinent zu blicken, das Leid zu begreifen und zu erkennen, was die Privilegierten dieser Welt für die Unterprivilegierten tun sollten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Schweitzers wesentlichster Beitrag zur Medizin nicht so sehr darin bestand, Tausenden von Afrikanern zu helfen, als darin, uns die Augen für unsere Mitmenschen zu öffnen, die weniger begünstigt sind. Florence Nightingale ist ein anderes Beispiel. Sie war eine aufopferungsvolle Krankenschwester, die sich einer besseren medizinischen Versorgung der Armen widmete und so den humanitären Auftrag der Medizin erfüllte. Sie hat gezeigt, dass die Sorge um den Menschen noch vor dem Heilen steht.
Izzeldin hat sich mit so viel Leidenschaft, Hingabe und Mitgefühl der Aufgabe gewidmet, die menschlichen Lebensbedingungen zu verbessern, das schon allein das ihn zu einem außergewöhnlichen Arzt macht. Aber er geht noch über die Medizin hinaus; für Izzeldin ist die Medizin ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Menschen sich gegenseitig besser verstehen lernen. Die vielen Frauen, die er in der Soroka-Klinik behandelt oder entbunden hat, seine zahlreichen israelischen Kollegen, mit denen gemeinsam er aufreibende Situationen im arbeitsreichen Klinikbetrieb bestritten hat, die für ihn eingesprungen sind, so wie er, wenn es nötig war, ihnen den Rücken freigehalten hat – alle seine Vorgesetzten und gleichgestellten Kollegen haben in Izzeldin einen palästinensischen Arzt aus dem Jibalaya-Flüchtlingscamp kennengelernt, der seine Patienten mit professioneller Sorgfalt und Anteilnahme behandelt. Die palästinensischen Patienten, die ins Soroka kamen, sind ihrerseits israelischen Ärzten und Krankenschwestern begegnet, die sie mit Mitgefühl behandelt haben, und zwar gemäß ihrer medizinischen Bedürfnisse und nicht nach ihrer Herkunft. So überbrückt die Medizin die Gräben zwischen den Völkern.
Vor zehn Jahren nahm Izzeldin an einer Fachtagung auf Zypern teil. Er verließ den Gazastreifen und kam am Flughafen an, aber die Verantwortlichen ließen ihn aus Sicherheitsgrün den nicht an Bord. Er hatte nur ein Tagesvisum, der nächste Flug ging erst am nächsten Tag, und er konnte nicht am Flughafen bleiben. Er war gefangen im Niemandsland. Die meisten Leute, die ich kenne, hätte das rasend gemacht. Er rief mich an, darauf telefonierte ich mit ein paar Leuten, und so organisierten wir, dass er das Flugzeug am nächsten Tag bekommen würde. Er kam zu uns nach Hause, und ich rechnete damit, einen sehr verärgerten Mann in Empfang zu nehmen. Er fühlte sich gedemütigt, aber zu meiner Überraschung war er nur auf einen bestimmten Flughafenangestellten wütend, auf eine einzelne Person, nicht auf »die Israelis«. Das ist Izzeldin – er lässt sich niemals dazu hinreißen, Pauschalurteile zu fällen.
Izzeldin verallgemeinert nicht, wie die meisten von uns das gern tun: Wenn im Urlaub in Italien der Taxifahrer furchtbar und das Hotelpersonal grässlich ist, machen wir später zu Hause alle Italiener schlecht. So würde sich Izzeldin niemals verhalten. Er nahm einfach den Flug am nächsten Tag. Und diesmal hatte er es mit einem Mitarbeiter zu tun, der nicht nach einem Vorwand suchte, einen Araber zu strafen, und konnte fliegen.
Manchmal ist Wut nützlich, und es ist gut, wenn man wütend werden kann. Izzeldin nutzt seine Wut jedoch zielgerichtet, er lässt nicht zu, dass Wut und Ärger ihn überwältigen und seine Umgebung unnötig belasten oder ihn von dem ablenken, worauf es wirklich ankommt.
Izzeldin geriet unter sehr tragischen Umständen ins internationale Rampenlicht. Er ist von großen Zeitungen interviewt worden, trat in bekannten Fernsehsendungen auf und hatte Begegnungen mit
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