Du sollst nicht hassen
Import von Ersatzteilen zu erhalten, machen es schwierig und zeitraubend, die Krankenhausausstattung wie CT-Scanner zu beschaffen und instand zu halten – das gilt selbst für die Spülmaschinen des Krankenhauses! Tägliche Stromausfälle und Stromschwankungen sorgen ständig für Schäden an den medizinischen Geräten. Die meisten Krankenhäuser müssen für einige Stunden am Tag auf Notstromaggregate zurückgreifen, aber es ist nie sicher, dass genug Treibstoff vorhanden ist, um sie zu betreiben.«
Siebzig Prozent der Menschen in Gaza leben mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 250 US-Dollar für eine sieben- bis neunköpfige Familie unterhalb der Armutsgrenze. Vierzig Prozent gelten mit einem monatlichen Einkommen von 120 US-Dollar als extrem arm. Wegen Fabrikschließungen sind 70000 Jobs verloren gegangen. Die Arbeitslosenquote liegt bei vierundvierzig Prozent. Oft sind wir auf die Waren angewiesen, die durch die Tunnel kommen, die unterirdisch nach Ägypten führen, aber die Tunnel können nicht annähernd die Bedürfnisse von 1,5 Millionen Menschen befriedigen. Noch dazu werden sie regelmäßig von der israelischen Luftwaffe bombardiert.
Selbst die Landwirtschaft, die immer Teil des Lebens und der wirtschaftlichen Versorgung Gazas gewesen war, ist durch das Embargo gefährdet. Gaza exportierte Tonnen von Obst und Gemüse und entsandte tausende Arbeiter nach Israel. Nun nicht mehr – es gibt für die Bauern keine Möglichkeit, ihre Erzeugnisse zu verkaufen.
Wenn man in Gaza unterwegs ist, hat man all das vor Augen. Drainagegräben, Gewächshäuser und Wasserbrunnen sind zerstört, Bäume entwurzelt. Das IKRK hat festgestellt, dass vielen Bauern »der Zugang zu Teilen ihres Landes verwehrt wird, weil die Israelis auf der Gaza-Seite des Grenzzauns zu Israel eine ›No-go‹-Zone errichtet haben«.
Mindestens dreißig Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens liegt innerhalb dieser Pufferzone, die sich bis auf einen Kilometer Entfernung vom Zaun ausdehnen kann. Ein Bauer weiß nie mit Gewissheit, ob es sicher ist, das Land zu bebauen oder innerhalb dieser Zone zu ernten. Die Bauern riskieren, dass auf sie geschossen wird, wenn sie auf ihrem Land arbeiten, und nach Armeeeinmärschen sind die Felder oft verwüstet und Teile der Ernte vernichtet. Die landwirtschaftliche Produktion wieder aufzubauen und am Laufen zu halten ist auch schwierig, weil Israel den Import geeigneter Dünger und Setzlinge nach Gaza nicht erlaubt.
Selbst der Fischfang unterliegt unmöglichen Beschränkungen: Boote aus Gaza dürfen nicht über die Drei-Meilen-Zone hinaus, was unsere Fischerei im Endeffekt von den größeren Fischarten und den Sardinen, die vor der Verschärfung des Embargos siebzig Prozent des Fangs ausmachten, abschneidet. Israelische Kanonenboote überwachen die Einhaltung der Gebietsgrenze und richten ihre Geschossrohre Tag und Nacht auf die Küste und auf die kleinen Fischerboote. Die Gazabewohner sitzen in der Falle.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat sich für die Aufhebung der Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Menschen und Waren als erste und dringlichste Maßnahme ausgesprochen, um Gazas Isolation zu beenden und es den Menschen zu ermöglichen, ihr Leben wieder aufzubauen. In dem Bericht heißt es:
»Eine nachhaltige Lösung erfordert fundamentale Veränderungen in Israels Vorgehensweise, beispielsweise Importe und Exporte von und nach Gaza zu erlauben, die Verbesserung des Güterverkehrs und der Bewegungsfreiheit der Menschen, Bauern zu erlauben, ihr Land in der De-facto-Pufferzone zu betreten und den Fischern ihren Zugang zu tieferen Gewässern wieder zu ermöglichen. Humanitäres Handeln kann kein Ersatz für glaubhafte politische Schritte sein, die notwendig sind, um diese Veränderungen herbeizuführen. Nur ein ehrlicher und mutiger politischer Prozess, der alle Staaten, politischen Autoritäten und organisierten bewaffneten Gruppierungen mit einbezieht, kann das Leid Gazas wirksam angehen und diesen Menschen ein würdevolles Leben zurückgeben. Die Alternative ist ein weiterer Abstieg ins Elend mit jedem einzelnen Tag.«
Dieser Bericht ist für Gazabewohner wie Israelis von großem Wert. Denn ich halte daran fest, dass die israelischen Ärzte genauso empfinden wie ich: dass unsere humanitäre Arbeit, die wir als Ärzte leisten, eine Brücke sein kann. Dass sie dazu beitragen kann, das Misstrauen abzubauen und eine Beziehung zu beleben, die uns aus diesem Sumpf
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