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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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die israelisch-palästinensischen Beziehungen zu sprechen. Bei diesen Veranstaltungen höre ich manchmal Kommentare von Leuten, die wirklich keine Ahnung haben, was es bedeutet, unter solchen Bedingungen zu leben. Und es interessiert sie oft gar nicht, sich über die wirklichen Umstände informieren zu lassen. Es gab zahlreiche Situationen, in denen ich unterbrochen, niedergeschrien und beschuldigt wurde, die andere Seite nicht zu sehen. Doch die meisten Menschen im Publikum warten ab, bis das Geschrei sich gelegt hat, um zu hören, was ich zu sagen habe. Ich erläutere, wie wir meiner Ansicht nach vorgehen müssen, um unsere Probleme mit Israel zu lösen. Wenn die Leute mir zum Beispiel sagen, dass wir dafür dankbar sein sollten, dass Israel seine Soldaten nach vielen Jahren der Besatzung endlich abgezogen hat, versuche ich zu erklären, dass die Art, wie der Abzug vonstatten ging, mehr Probleme geschaffen als gelöst hat.
    Bei einer dieser Veranstaltungen passierte das alles auf einmal – ich wurde unterbrochen, angeschrien und der Einseitigkeit beschuldigt. Aber als dieser unerfreuliche Teil erst einmal überstanden war, stellte ich fest, dass die folgenden Fragen durchdacht und in guter Absicht gestellt wurden. Jemand fragte: »Was können wir, als Israelis in den Vereinigten Staaten, hier tun, um den Dialog voranzutreiben?« Eine andere sagte: »Es ist großartig, dass Sie hier zu uns sprechen, aber tragen Sie dieselbe eindringliche Bitte um Frieden auch der anderen Seite, ihrer eigenen Gemeinschaft, vor?« Meine Antwort darauf war: »Ja, selbstverständlich, ich bitte sie genauso darum« – das ist genau die Art der Unterhaltung, die wir führen müssen. Wenn wir unserem Unmut nicht Luft machen, werden wir ihn nie überwinden.
    Ein Mann fragte jedoch auch scharf: »Sie sprechen vom Dialog zweier Nationen, aber mit wem sollen wir sprechen – mit der Hamas? Sie sagen, wir müssen einander respektieren, aber Ihre gewählte Regierung ist nicht einmal bereit, die Existenzberechtigung des Staates Israel anzuerkennen. Was für eine Art von Respekt ist das?« Ich konnte nur versuchen zu erklären, dass es einen Weg aus dem Chaos gibt. Dass wir voranschreiten müssen, statt in dem stecken zu bleiben, was bisher war. Das klingt nach einer groben Vereinfachung, aber es ist die einzige Möglichkeit, aus dem Morast herauszukommen, in dem wir feststecken. Darüber zu streiten, wer was getan hat und wer mehr gelitten hat, bringt uns nicht weiter. Wir müssen kavod (Respekt) und shivyon (Gleichheit) stärken. Man kann niemandem vertrauen, den man nicht kennt. Also lasst uns einander kennenlernen, indem wir einander zuhören und die Augen für die andere Seite öffnen. Und wir müssen uns auf realistische Ziele konzentrieren. Wir haben uns von großen Plänen täuschen lassen. Jetzt müssen wir auf das schauen, was heute machbar ist.
    Manche sagen, ich würde eine rosarote Brille tragen und mich weigern, die Hoffnungslosigkeit der Situation zu sehen. Vielleicht haben sie recht. Doch ich sehe nie etwas als hoffnungslos an – weder wenn ich ein Baby zur Welt bringe, das in Not ist, noch wenn ich die Blutung einer Frau stille, und auch nicht, wenn ich Kranke behandle, die als unheilbar gelten. Warum sollte ich also die Streitigkeiten zischen zwei Völkern als hoffnungslos ansehen? Ich kümmere mich um Menschen. Ich bin ein Mensch wie jeder andere. Wir sind so geschaffen – soziale Wesen, die mit anderen zusammenleben. Abgrenzung ist unnatürlich.
    Aber ich komme von meiner Geschichte ab.
    Im Sommer 2007 war ich erneut auf der Suche nach einem Job. Ich hatte mich entschieden, meinen Vertrag mit der WHO in Afghanistan nicht zu erneuern, weil es bedeutet hätte, zu viel Zeit von meiner Familie getrennt zu sein, und die Lage in Gaza war viel zu angespannt. Ich konzentrierte mich darauf, Honorarverträge zu bekommen, im Rahmen des Columbia International Medical Program an der Ben-Gurion-Universität Vorlesungen zu halten, Patienten in Gaza zu behandeln und hier und da Beratertätigkeiten für die Europäische Union zu übernehmen.
    Im vorangegangenen Dezember war ich zur dritten nationalen Konferenz zu Fragen der Gesundheitspolitik in Jerusalem eingeladen worden. Dort hinzugelangen stellte mich auf die übliche Probe, aber den Genehmigungen hinterherzujagen und mich in Geduld zu üben war die Mühe allemal wert, wie sich herausstellte: Auf der Konferenz lernte ich Mordechai Shani kennen, den Leiter und Gründer des Gertner

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