Du sollst nicht hassen
wieder herausführen kann. Dr. Zeev Rotstein ist Generaldirektor des Sheba Medical Center in Tel Aviv. Er hat eine Vision für diese Region, die sich über den Dienst an der Gesundheit verwirklichen lässt. Ich will ihn in seinen Worten schildern lassen, wie ein Krankenhausteam sich seiner Vorstellung nach über alles Trennende hinweg die Hand reichen kann:
»Ich bin Kardiologe. Vor der [Ersten] Intifada war ich vor allem mit der Diagnose und Behandlung von angeborenen Herzfehlern bei Kindern, besonders in Gaza und der West Bank, beschäftigt. Ich denke an all die Kinder, die nicht die Behandlung bekommen können, die sie brauchen. Ich ging früher einmal in der Woche dorthin, um sie zu begutachten und sie für weitere Behandlungen zu überweisen. Vor der Intifada war die Bevölkerung dort unter gesundheitlichen Gesichtspunkten in viel besserer Verfassung. Die Menschen hatten freien Zugang zu allen medizinischen Einrichtungen und einer guten kostenlosen Nachsorge; zudem gab es Ärzte in Gaza, die hier in Israel ausgebildet worden waren. Aber seit Beginn der letzten Intifada – und ich bemühe mich, die Politik hier außen vor zu lassen – sind es in meinen Augen die Kinder, die hier den Preis all dessen bezahlen. Die Ausbildung der Ärzte ist zum Stillstand gekommen. Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen ist nicht mehr so unkompliziert, wie er mal war. Er ist unzweifelhaft von der Politik dieser Region betroffen. Wir versuchen das immer im Kopf zu behalten, wenn wir mit den Kollegen in Gaza zusammenarbeiten. Wir versuchen, die Gesundheit zu fördern und Elend und Krankheit zu lindern. Von Anfang behandelte ich vor allem krebs- und herzkranke Kinder. Wir können diesen Kindern helfen. Ohne unsere Hilfe sterben sie elend oder leiden unter ihren angeborenen Krankheiten. Wir müssen ihnen helfen. Es ist einfach eine Frage der Beharrlichkeit.
Izzeldin war auf diesem Gebiet besonders erfolgreich. Er arbeitete daran, die gegenseitigen Beziehungen für diese Kinder zu verbessern. Er kämpfte für bessere medizinische Einrichtungen, bessere Nachsorge und mehr Effizienz im gesamten Ablauf. Er arbeitete daran, den Kreis zu schließen und damit den Kindern eine gute Versorgung zu ermöglichen: Wenn ein Kind in Israel behandelt wird, dann muss es auch zu Hause in Gaza Unterstützung erhalten. Ich sah in Izzeldin eine Art Vermittler. Durch seine Forschung verbesserte er die Möglichkeiten für diese Kinder. Er arbeitete hier und dort und sammelte Daten auf beiden Seiten. Nicht jeder wollte mit ihm zusammenarbeiten. Man machte es ihm schwer, medizinische Daten zu erheben. Hier am Sheba Hospital sind die Akten digitalisiert, und wir stehen seiner Arbeit offen und aufgeschlossen gegenüber.
Für Izzeldin ist das Gesundheitswesen eine entscheidende Brücke zwischen den Völkern. Ich teile diese Meinung.
Leben zu retten, ohne aufzugeben, und das immer und immer wieder, gibt der anderen Seite die Gelegenheit, die wahren Gesichter der Israelis zu sehen – nicht durch Gewehre, sondern durch die Medizin. Menschen, die in Gaza geboren wurden und aufgewachsen sind und hier behandelt werden – sie kennen uns nicht. Sie wissen nicht, wie wir fühlen. Sie kennen die wahren Israelis nicht. Manche erzählen, sie hätten nie gedacht, dass wir Menschen seien, sondern Monster, Eroberer, die sie lieber tot sehen wollten. Dann werden sie von uns behandelt und sind überrascht, dass all diese Dinge nicht stimmen.
Die Mehrheit der Israelis will Seite an Seite mit den Palästinensern leben. Ich bin sicher, das ist es, was die Palästinenser auch wollen. Doch wir werden von Extremisten auf beiden Seiten bestimmt. Bei dem Elend, in dem die Menschen leben, ist es so einfach, sie aufzuwiegeln.«
Die israelischen Patienten, die ich behandele, stört es nicht, dass ich ein palästinensischer Arzt bin. Und die Gazabewohner stört es nicht, dass ich in Israel arbeite. Für sie zählen Sicherheit und die Versorgung ihrer Kinder. Und doch treffe ich immer noch Menschen, die schockiert sind, dass ein palästinensischer Arzt jüdische Patienten behandelt.
Wenn man die Teilung überwinden will, kommt es darauf an, die Wahrheit zuzugeben, die Tatsachen, die das Leben der Menschen heute ausmachen. Dazu gehört die Beschäftigung mit dem Recht auf Rückkehr – ein Terminus, den jeder kennt, über den aber niemand diskutieren will.
Hunderttausende Palästinenser wurden vertrieben, als Israel gegründet wurde. Das ist bekannt. Die BBC-Sendung Panorama
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