Du sollst nicht hassen
zukunftsweisendste Weg aus Armut und Konflikten ist.
Als ich aufwuchs, konnte ich die Art und Weise beobachten, in der die Frauen in Gaza ihre Kinder erziehen. Ich sah, wie Entscheidungen gefällt und durchgesetzt wurden, aber mir war klar, dass den Frauen nicht die Möglichkeit gegeben war, ihre eigenen Ansichten zu äußern. Frauen und Mädchen haben in Gaza nicht die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, und können so nicht voll und ganz am öffentlichen Leben teilhaben.
Eine gesunde Gesellschaft braucht kluge und gebildete Frauen. Eine gebildete und gesunde Frau wird eine gebildete und gesunde Familie großziehen, und der beste Weg dorthin ist, dafür zu sorgen, dass Erziehung und Gesundheit der Frauen gesichert sind. Es ist eine Investition, die nicht nur eine Veränderung im Denken, sondern auch in den Machtverhältnissen im Nahen Osten herbeiführen kann. Die Beschränkungen aufzuheben, denen sich unsere Frauen und Mädchen ausgesetzt sehen, könnte sehr gut uns allen den Weg zur friedlichen Koexistenz ebnen.
Das waren die Themen, die mich beschäftigten, als ich meine Stelle beim Gertner Institute antrat. Meine Arbeit machte mir großen Spaß, aber von Sonntag bis Donnerstag von zu Hause fort zu sein, forderte seinen Tribut. Jeden Montagmorgen begann ich, die Tage zu zählen, bis ich wieder nach Hause zu meiner Familie konnte. Ich bemühte mich, mir das dreitägige Wochenende wie eine Fünftagewoche vorkommen zu lassen. Nadia hatte die meiste Erziehungsarbeit allein bewältigt, aber die Kinder waren nun größer, und ich machte mir auf eine Art Sorgen um sie, die ich bisher nicht gekannt hatte. Nadia brauchte mich an ihrer Seite, und ich wollte dort sein.
Eines Abends an einem Wochenende hörte ich zufällig, wie Mayar zu ihrer Schwester sagte: »Die schlimmste Zeit ist die, wenn Vater auf Reisen ist.« Das traf mich zunächst schwer. Was tat ich da, so lange unterwegs? Wer konnte sagen, wie lange ich leben würde? Meine Arbeit war wichtig, aber meine Familie bedeutete mir alles.
Die Verhältnisse in Gaza wurden immer schlechter, und ich pendelte weiter durch diese quälenden, zeitraubenden Sicherheitskontrollen. Die Frustrationen und Demütigungen waren eine ständige Belastung. Dann war ich letztlich doch glücklich zu hören, dass Mayar sagte, die schlimmste Zeit sei, wenn ich nicht da sei, weil ich dachte, es sei am schlimmsten, wenn ich meinen Ärger und die Demütigung mit nach Hause brachte.
Zorn und Gewalt sind in Gaza und unter seinen Bewohnern sehr verbreitet. In einer Situation wie der unsrigen wäre es nicht normal, wenn es Wut und Gewalt nicht gäbe. Wir alle sind zumindest gelegentlich wütend. Wenn ich wütend werde, geht es meist schnell vorüber, doch natürlich tut es mir leid, wenn ich andere dabei unglücklich mache. Die eigene Wut zu kontrollieren ist die angemessene Art, damit umzugehen, aber das ist leichter gesagt, als getan. Wann immer ich wütend werde, bedaure ich es hinterher sofort: Warum habe ich mich nicht unter Kontrolle gehabt? Warum habe ich meine Liebsten verletzt? Wieso habe ich meiner Frau und meinen Kindern das zugemutet?
Wenn ich nach Hause komme, bin ich vom Grenzübergang erschöpft. Meine Kinder brauchen mich, und doch fühle ich mich müde. Ich habe gesehen, wie jemand von den Grenzern erniedrigt wurde. Ich habe gesehen, wie ein von Krebs müder und geschwächter Patient willkürlich an der Einreise zur medizinischen Behandlung gehindert wurde. Und ich konnte nichts tun. Ich kann die Situation nicht ändern.
Dann komme ich zur Tür herein, und meine geliebte Frau Nadia begrüßt mich mit all den Problemen des Tages. Mohammed hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Er muss seine Hausaufgaben machen. Er muss studieren. Bildung ist der einzige Ausweg aus dieser Hoffnungslosigkeit. Abdullah hat nicht auf seine Mutter gehört und hat schon wieder mit seinen Cousins auf der Straße gespielt. Er soll nicht auf der Straße spielen. Warum hört er nicht? Warum hat Nadia ihn nicht unter Kontrolle? Warum gibt es keinen Park, in dem die Kinder sicher spielen können? Kürzlich wurde er vom Auto angefahren und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Warum sind die Autofahrer so rücksichtslos, bei all den spielenden Kindern dort? Der Fahrer hatte keine Versicherung. Ich musste die Krankenhausrechnung selbst bezahlen. Dalal sagte, sie wolle für ein paar Stunden ihre Tante Yousra besuchen, aber sie blieb über Nacht und kam erst am nächsten Tag nach Hause. Wie kann
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