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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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Brücke. Man hätte meinen können, dass ich nach der gründlichen Überprüfung in Eres den israelischen Beamten an der Brücke nur noch meine Papiere hätte zeigen müssen. Falsch gedacht. An der Allenby-Brücke geht es zu wie in einem Spionagefilm. Ich stieg aus dem Taxi, bezahlte den Fahrer und stellte mein Gepäck auf einen Gepäckwagen. Dann bestieg ich den Bus zur palästinensischen Pass-Abteilung, wo meine Papiere gründlich durchgesehen wurden. Nachdem sie genehmigt waren, kehrte ich zum Bus zurück, der mich einen Kilometer zurück zur Gepäckaufbewahrung brachte, wo ich aus einem Haufen am Boden liegender Taschen meine herausfischte. Dann bestieg ich für die kurze Fahrt auf die jordanische Seite erneut den Bus.
    Jetzt waren die jordanischen Beamten an der Reihe. Ich zeigte meine Papiere und wurde in Richtung eines speziellen Schalters für Gazabewohner gewiesen. Ich wartete dort ge raume Zeit, die mir wie eine Ewigkeit erschien und mich befürchten ließ, dass ich meinen Flug nach Amman verpassen würde. Wenn deine Papiere dich als Palästinenser ausweisen, garantiert dir das, egal wo auf der Welt, sehr lange Wartezeiten. Zum Schluss wurde mein Gepäck nochmals überprüft, und ich konnte gehen.
    Ich war halb acht Uhr morgens zu einer Reise aufgebrochen, die normalerweise kaum mehr als eine einstündige Fahrt zum Flughafen in Amman beansprucht hätte. Ich schaffte es kaum, den Flug um sechs Uhr abends zu erreichen, aber ich verbuchte den Tag als Erfolg, weil ich letztlich angekommen war, wohin ich wollte.
    Die Fortbildung in Nairobi sollte zwei Wochen dauern. Während dieser Zeit stand zu Hause eine Hochzeit an. Die Nichte meiner Frau würde am 26. August heiraten, und es tat mir leid, nicht dabei sein zu können. Ich wusste, dass alle sich auf dieses Fest gefreut hatten, und auf einer Geschäftsreise in den Jemen vor ein paar Monaten hatte ich für meine Töchter und meine Frau eigens wunderschöne Seidenkleider gekauft. Ich wusste, dass sie gern vom neuesten Familienklatsch berichten wollten, also rief ich zu Hause an. Während unseres Telefonats sagte mir Nadia, sie sei müde und fühle sich nicht sehr wohl. Ich zog sie ein wenig damit auf, dass sie es auf der Hochzeit zu toll getrieben und zu lange getanzt habe; sie lachte und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen.
    Als die Fortbildung abgeschlossen war, setzte ich die Reise wie geplant nach Kampala fort, um mich mit dem Team von Population Service International zu treffen. Nach ein paar Tagen dort flog ich am 1. September nach Ägypten. Da dies der erste Tag des Ramadan war, rief ich meine Familie an, um ihr Segen für diesen neuen heiligen Monat zu wünschen. Mayar ging ans Telefon, und ich konnte ihrer Stimme anhören, dass etwas nicht stimmte. Ich sprach auch mit Bessan und war mir erst recht sicher, dass sie etwas vor mir verheimlichten. Nor malerweise kommen alle im Haus angerannt, um mit mir zu telefonieren, aber dieses Mal wollten nur Mayar und Bessan mit mir sprechen. Aber es war schon Mitternacht, und sie waren vielleicht müde oder gerade erst für die ersten Gebete des Tages aufgewacht. Ich trug Mayar auf, allen alles Liebe von mir zu wünschen, aber als ich auflegte, befiel mich eine große Unruhe.
    Es stellte sich heraus, dass Mayar und Bessan mir verschwiegen hatten, dass Nadia ins Al-Shifa-Krankenhaus gebracht worden war. Sie hatte die Kinder angewiesen, mich nicht zu informieren, damit ich meine Geschäftsreise beenden konnte, ohne mir Sorgen zu machen. Das war typisch für Nadia: Sie kümmerte sich stets um alles und sagte den anderen, sie sollten sich keine Gedanken machen. So flog ich von Kairo nach Brüssel, ohne zu wissen, dass meine Frau schwer krank war.
    Am nächsten Morgen, dem 3. September, erhielt ich eine E-Mail von Shatha: »Dringend. Ruf an. Mutter ist krank. Der Arzt im Shifa will sie nach Israel überweisen.« Ich rief sofort zu Hause an und erfuhr, dass es sich um keine gewöhnliche Krankheit handelte. Nadia hatte akute Leukämie.
    Als Arzt wusste ich, dass das eine unheilvolle Diagnose war: Die meisten Kinder mit akuter Leukämie überleben diesen Blutkrebs, aber nur fünfzig Prozent der Erwachsenen schaffen es, ihn zu besiegen. Als ihr Ehemann dachte ich nur daran, dass sie überleben musste. Der erste Schritt war ganz gewiss der, sie in ein israelisches Krankenhaus überwiesen zu bekommen. Aber selbst bei einer so lebensbedrohlichen Lage wie dieser war es nicht leicht, über die Grenze zu kommen. Sie würde

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