Du sollst nicht hassen
geplanten Abreise buchte ich mein Ticket, um von Amman in Jordanien über Kairo nach Nairobi zu fliegen. Dann traf ich die Vorkehrungen für die Ausreisegenehmigungen, die ich brauchen würde: eine von Gaza über den Übergang Eres, die andere, um Israel über die Allenby-Brücke, die Ost- und Westufer des Jordan verbindet, zu verlassen.
Aber wir sind im Nahen Osten und auf palästinensischem Gebiet. Hier könnnen selbst die durchdachtesten Pläne scheitern, und so war es auch mit meinem. Ich absolvierte meine übliche Schicht am Sheba Medical Center in Tel Aviv, fuhr aber einen Tag eher nach Hause als sonst, um noch etwas Zeit mit meiner Frau und den Kindern zu verbringen. Am Übergang Eres informierte man mich, dass die Grenze am Samstag, den 16. August, geschlossen würde und ich an diesem Tag nicht hinauskäme, um meinen Flug zu erreichen. Der Beamte, mit dem ich sprach, schlug vor, schon am Freitag auszureisen und im Westjordanland zu bleiben, weil die Beschränkungen dort weniger streng seien als an den Gaza-Übergängen, aber ich wollte die Zeit mit meiner Familie nicht opfern. Also sprach ich den diensthabenden Offizier darauf an, und er versicherte mir, dass ich am Samstag hinüberkommen würde.
Am Donnerstagnachmittag jedoch erhielt ich einen Anruf vom Sicherheitsbüro in Tel Aviv. Man teilte mir mit, dass ich nicht reisen könne – gar nicht! Ich hatte nur noch achtundvierzig Stunden bis zum Flug von Amman nach Nairobi, und man sagte mir, ich könne Gaza nicht verlassen. Ich fragte, was um alles in der Welt da los sei, und bekam zur Antwort: »Sie dürfen aus Sicherheitsgründen nicht reisen.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, rief ich meinen Freund Shlomi Eldar an, einen bekannten israelischen Fernsehjournalisten, der auch für verschiedene israelische Zeitungen schreibt. Wir hatten uns ein paar Jahre zuvor am Übergang Eres kennengelernt, als er mit einem Kameramann nach Gaza kam, um eine Story zu drehen. Ich hatte gerade ein Buch gelesen, das er zu Gaza veröffentlicht hatte, und wir sprachen eine Weile darüber. Als er meine Geschichte hörte, konnte er sie genauso wenig begreifen wie ich: »Wenn du nicht reisen kannst, heißt das, dass niemand reisen darf. Was geht da vor? Ich werde darüber berichten.«
Er rief den diensthabenden Offizier in Eres an und bat ihn um ein Interview. Währenddessen telefonierte ich mit einem anderen Freund in Israel, der mir versprach, sich um die Sache zu kümmern. Einige Minuten später rief er zurück und sagte: »Die meinen es ernst, sie wollen dich nicht fliegen lassen. Du sollst eine Woche warten.«
Warum gerade jetzt? Was war mit meinem Flugticket, meinen Terminen, meinem Vorstellungsgespräch und meiner Fortbildung? Was sollte ich tun? Wie konnte ich es zulassen, dass diese Leute mir einen schlechten Ruf einhandelten? Warum hatten sie mich in Israel arbeiten lassen, wenn ich ein Sicherheitsrisiko darstellte? Das ergab alles keinen Sinn.
Abends um sieben klingelte mein Telefon. Es war jemand vom Koordinationsbüro des Sicherheitsdienstes für den Staat Israel, der mich fragte, was los sei. Als ich ihm die Situation erläuterte, sagte er: »Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Sie können am Samstag reisen.« Also nahm ich an, das Missverständnis sei aus der Welt geschafft.
Außer den Grenzern war am Samstag niemand am Checkpoint. Es war unheimlich, allein durch die langen Korridore zu laufen, an den Stacheldrahtrollen vorbeizugehen und meinen Weg durch das Labyrinth aus Durchleuchtungsapparaten, geschlossenen Durchgängen und Vernehmungsbeamten zu finden. Als ich auf der anderen Seite ankam und der israelischen Sicherheitsbeamtin meine Papiere aushändigte, sagte sie: »Sie können nicht reisen.«
»Warum nicht?«, fragte ich.
»Aus Sicherheitsgründen«, antwortete sie. Das heißt übersetzt so viel wie: »Es gibt keinen Grund. Wir wollen dich einfach ein bisschen ärgern.« Aber sie hatte die Macht. Ich musste mir auf die Zunge beißen. Ein falsches Wort oder eine unangebrachte Geste konnte meine ganze Reise scheitern lassen. Also bat ich sie höflich, mit ihrem Chef meinen sogenannten Security-Status zu prüfen. Sie brauchte eine Stunde, um dieser Bitte nachzukommen. Als sie alles erledigt hatte, sagte sie mir, ich könne zum Taxi gehen, das mich zur Allenby-Brücke bringen würde.
Und so machte ich mich mit einer Handvoll Papiere, einer Tasche voller Kleingeld für die diversen Taxis und Busse und einem Herz voller Hoffnung auf den Weg zur
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