Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
Jetzt war sie diejenige, die Unterstellungen hinnehmen musste, die skeptisch geblähte Wangen zu sehen bekam, feindselige Blicke und lange Pausen zu ertragen hatte.
»Nun, es ist ganz einfach: Wie lange hat es gedauert, bis Sie zusammengekommen sind?«
»Ein halbes Jahr.«
Sie sah Jenny etwas aufschreiben.
»Der Bruder von Grace sagt, es seien viereinhalb Monate gewesen.«
»Das stimmt nicht.«
»Wie lange nach ihrem Tod haben Sie beide geheiratet?«
»Zwei Jahre.«
»Was hat man für ein Gefühl dabei, das Geld der toten Freundin auszugeben?«
Nicky schnappte nach Luft, doch Webster machte gleich weiter.
»Greg hat das meiste bekommen, richtig? Und das war ziemlich viel.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf Verhaltensmuster. Darauf, was es heißt, die Grenzen dessen, was die meisten Leute als anständig bezeichnen würden, zu überschreiten. Zum Beispiel, mit dem Witwer der eigenen besten Freundin loszuziehen, kaum dass sie unter der Erde ist. Waren Sie schon immer hinter ihm her? Haben Sie sie beneidet, waren Sie eifersüchtig?«
»Nein …«
»Und jetzt machen Sie mit Adam Thornton weiter – ob der Ehemann das weiß oder nicht, wen kümmert’s? Sie offensichtlich nicht. Die meisten Leute würden sagen, hier ist die Grenze des Anstands überschritten. Verstehen Sie? Erkennen Sie das Bild, das ich für ein Gericht entwerfe? Eine Frau, der man nicht trauen kann. Eine, die lügt und betrügt und Sachen macht, die andere anstößig finden.«
»Ich habe nie eine Beziehung mit Adam Thornton gehabt. Ich bin mit ihm in sein Haus gefahren, um mir für einen Nachruf in der Zeitung Fotos anzuschauen. Alles, was Sie behaupten, ist falsch.«
Jenny beobachtete Nicky aufmerksam. Das hier war nicht ihre Ermittlung, aber sie saß dabei – weil sie neugierig war und nicht zuletzt, weil es sie interessierte, wie die großen Asse von der Metropolitan Police eine Mordermittlung angingen. Bislang war sie nur mäßig beeindruckt. Sie war nicht der Auffassung, dass man das meiste herausholte, indem man sich wichtig machte – etwas, das Martin offenbar sehr gern tat.
»Habe ich als Bürgerin das Recht, polizeiliche Aufzeichnungen zu einem Ermittlungsverfahren einzusehen?«
Ach nee, dachte Jenny, da ist sie wieder, ganz die Alte!
»Jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich!«
»Ist mein Mann, Greg Peterson, bei Ihnen aktenkundig?«
Martin Webster ließ seine Hand auf seinen Aktenstapel niedergehen.
»Ich bin hier derjenige, der die Fragen stellt!«
»Wo ist mein Motiv? Welchen Grund sollte ich haben, diese Frau umzubringen? Ich habe auch keinen Grund,
ihn
umzubringen. Ich habe keine Ahnung, wie meine Kette an diesen Tatort gelangt ist!«
»Es sieht nicht gut aus, Nicky, es sieht überhaupt nicht gut aus.«
»Wir sitzen hier jetzt schon sehr lange«, mischte sich der Anwalt ein. »Wir sollten eine Pause machen und etwas zu Abend essen.«
Jenny sprang auf und verließ den Raum. Im Flur traf sie auf Sondra, die einen Plastikbecher unter den Wasserkühlbehälter hielt und wartete, dass er sich tropfenweise füllte.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Sie hält sich nicht schlecht. Das ist eine Toughe«, antwortete Jenny.
»Ich hab gerade in der Wache angerufen. Sie haben Adam Thornton aus seinem Haus zur Vernehmung geholt. Er war immer noch dabei, den Rasen umzugraben. Er hat kein Alibi für die Zeit, zu der Louise Bell umgebracht worden ist. Sie vernehmen ihn gerade.«
»Ist er freiwillig mitgegangen?«
»Offenbar. Soweit ich gehört habe, war er geschockt.«
Jenny beugte sich zu ihr vor. »Warum flüsterst du?«
Sondra sah sich schuldbewusst um. »Das war mir gar nicht bewusst.«
»Lass dich von denen hier bloß nicht einschüchtern!«
Sondra nickte und trank ihr Wasser.
»Glaubst du, dass sie es war?«, fragte sie und flüsterte immer noch.
»Ich traue es ihr zu, aber es gibt einfach keinen Grund. Struan Clarke ist vielleicht von dem Haus angelockt worden, aber Louise?« Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf den Wasserspender. »Krieg ich auch was?«
Sondra rang der mehr oder weniger verstopften Maschine einen halben Becher Wasser ab, den sie Jenny gab. Die trank und beobachtete währenddessen Martin Webster, der, eine Rhythm-’n’-Blues-Melodie summend, auf sie zukam. Er drückte ihr mehrere Papiere in die Hand, dann fing er an, sich zu wiegen und die Arme kreisen zu lassen, als tanze er zu einer Musik, die nur er hörte.
»Ich habe die Einzelheiten aus der Wohnung von Louise.«
»Okay, was
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