Du sollst nicht lieben: Roman (German Edition)
mit den jungen Leuten ist heutzutage. Kein Ehrgeiz, keine Ausbildung.« Dazu schenkte er ihr ein umwerfendes Lächeln. »Ich war eine Weile an der Zirkusschule. Habe einiges am Trapez gelernt, Jonglieren, solche Sachen.«
Als es unter ihnen zu dröhnen begann und sie in ihre Sitze gedrückt wurden, endete das Gespräch vorläufig. Nicky fand, dass der Start immer ein Nervenkitzel war.
Sie hörte Adam »Mein Gott« murmeln. Und sie sah, wie seine Fingerknöchel sich weiß färbten, so fest umklammerte er die Armlehnen.
»Fliegen ist nicht so Ihr Ding?«
»Nein, nein, das ist es nicht. Ich bin klaustrophobisch. Gedränge ist nichts für mich. Ich mag es nicht, gegen andere Leute gestoßen und gedrückt zu werden.« Er erschauerte leicht.
Sie hoben ab, und die Maschine legte sich sanft in die Horizontale.
»Beim Start muss ich mir immer vorstellen, wie es wäre, im Falle einer Notlandung zwischen all diesen Leuten festzuhängen.« Er senkte den Kopf, nickte in alle Richtungen und lachte verlegen.
»Wenigstens würden Sie nicht allein sterben.«
»Nein, sondern auf Tuchfühlung mit den Mitreisenden.« Er stöhnte.
»Es heißt immer, Fliegen sei die sicherste Art zu reisen.«
»Das hilft mir leider nicht. Meine Angst ist nicht rational. Wie so vieles von dem, was wir tun, nicht gerade rational ist. Manchmal denke ich, ich kann es nicht ertragen, die Kontrolle abzugeben. Vielleicht bin ich ein Kontrollfreak.«
»Ihr Schicksal liegt jetzt in der Hand eines anderen.«
Wieder zog er eine Braue hoch. »Genau. In der Hand von einem, der mit fünf Thai-Prostituierten drei Tage auf Sauftour war und beschließt, den versäumten Schlaf während der Landung nachzuholen.«
»Ich habe mal einen Artikel über Flugzeugunglücke gelesen. Da stand, dass die meisten Leute sterben, weil sie annehmen, dass sie beim Aufprall umkommen, und deshalb gar nicht erst versuchen, aus der Maschine rauszukommen. Sie sitzen tatenlos da und fügen sich in ihr Schicksal.«
Er sah sie aufmerksam an und nickte. Sein dunkles Haar sträubte sich über der Stirn in einem hübschen Wirbel. Er machte ein Gesicht, als lausche er einem vertraulichen Scherz.
»Überleben tun diejenigen, die kämpfen.«
»Wären Sie so eine?«
»Darauf können Sie wetten. Ich schätze, in so einer Situation würden meine schlimmsten Charakterzüge ans Licht kommen. Ich würde über Leute drübersteigen, um rauszukommen. Ich würde Leuten Gliedmaßen abreißen.«
Er musste lachen. Sie sah strahlend weiße Zähne und in den Augenwinkeln nette Fältchen. Sowie er aufhörte zu lachen, verschwanden die Linien, die wunderbar straffe Haut glitt sofort zurück in die ursprüngliche Position.
»Erinnern Sie mich dran, dass ich bei der Eröffnung des Schlussverkaufs nicht vor Ihnen stehen will.«
Gutaussehend und witzig. Man lebt nur einmal, dachte Nicky. Gott, würde sie kämpfen, um jeden einzelnen Tag, der ihr beschieden war! Hatte Grace gekämpft? Sie schauderte. Man hatte ihr gesagt, der Tod sei schnell eingetreten, sie sei bereits tot gewesen, als sie ins Wasser fiel. Dennoch war so vieles noch unklar. Ewig würde Nicky gefangen sein im Fegefeuer des Was-wäre-gewesen-wenn und des Warum.
»So oder so können Sie sicher sein, dass ich schneller bei dem Flachbildschirmfernseher bin als Sie.« Sie flirtete und fand nichts dabei.
In einer charmant abwehrenden Geste hob er die Hände. »Er gehört Ihnen, Nicky, auf jeden Fall!« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wenigstens sind Sie ehrlich. Ich dagegen stelle mir gern vor, dass ich der Held bin, dass ich mit Zwillingssäuglingen im Arm über das Rollfeld renne und sie vor der großen Explosion rette, die hinter mir gerade losgeht.«
Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen, und sie spürte die physische Anziehung fast schmerzhaft.
»Die Kluft zwischen dem, was wir uns erhoffen, und der Realität ist groß. Wahrscheinlich wären wir alle gern Helden, und am Ende retten wir doch nur die eigene Haut.« Er neigte sich zu ihr herüber. »Gott, ist das ein TSG !«
»Ein was?«
»Ein tiefschürfendes Gespräch.«
Nicky lachte.
»Wissen Sie was? Es heißt, dass zwanzig Prozent aller Paare einander im Flugzeug kennenlernen.«
Nicky riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf. »
Ist
nicht wahr.«
Adam fuhr fort: »Da sitzt man stundenlang nebeneinander, weit weg von zu Hause. Hat Gelegenheit, über die wirklich wichtigen Dinge im Leben nachzudenken. Trinkt ein Glas …«
Sie schauten beide in Richtung
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